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Berliner Morgenpost: Die SPD braucht einen Kraftprotz

Archivmeldung vom 30.09.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.09.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Im Mai 1974 schrieb Willy Brandt mit der Hand an Bundespräsident Gustav Heinemann: "Ich übernehme die politische Verantwortung für Fahrlässigkeiten im Zusammenhang mit der Agentenaffäre Guillaume und erkläre meinen Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers."

Damals zog "Verantwortung übernehmen" unweigerlich einen zweiten Begriff nach sich: "Rücktritt". Loslassen und Freimachen bilden wesentliche Zutaten der Demokratie, diesem nie endenden Wechsel der Kräfte. Rücktritt heißt Demut vor dem Gemeinwesen und Vertrauen in Neues. Zögerlich folgt die SPD jetzt dieser Tradition. Zuerst Generalsekretär Hubertus Heil, dann Finanzminister Steinbrück. Respekt. Parteichef Müntefering zog zwar nach, aber er hat den idealen Zeitpunkt verpasst. Er hätte, wie 1998 Helmut Kohl, am Wahlabend abtreten müssen; ein symbolischer Akt, der eine Ära beendet und den Neuanfang ermöglicht hätte. Das Zaudern des Sauerländers erschwert vor allem seinem Wunschnachfolger Sigmar Gabriel die Zukunft. Als relativer Neuling im zentralen Machtgefüge der SPD entwindet Steinmeier sich dem Rücktrittsdruck und beansprucht eine Galgenfrist; zudem kennt er wie kein anderer die Regierungsakteure und kann eine gerupfte Fraktion langsam aufbauen. Sein gestriges Wahlergebnis von knapp 90 Prozent ist angesichts des Durcheinanders ein klares Votum. Strippenzieher Münte wollte nicht abtreten, ohne seinen Wunschnachfolger Gabriel an die Parteispitze manövriert zu haben und mit ihm seine Gefolgsleute, gleichsam als Bollwerk gegen die Brigade Nahles. Der künftige Ex-Umweltminister traut sich zweifellos zu, die Partei zu führen. Doch Steinmeiers Wahl mindert Gabriels Chancen, am Ende, beim November-Parteitag, auch tatsächlich gewählt zu werden. Der SPD-Basis wird es jedenfalls sehr schwerfallen, dass sie ein Duo kommandiert, das in Schröders Hannover politisch groß geworden ist. Wie beim Bundespräsidentenkandidaten könnte also gelten: Wer zuerst genannt wird, ist schon so gut wie erledigt. Ein aufgeregter SPD-Parteitag lässt sich sein Abstimmungsverhalten nicht diktieren. Andererseits wäre eine Doppelspitze, welche auch immer, ohnehin nur eine Übergangslösung. Es ist ja kein Zufall, dass die erfolgreichen Regierungsparteien CDU und FDP jeweils von einer einzigen Kraft geführt werden, Merkel und Westerwelle. Was die SPD braucht, ist ein moderner Schröder, der das Kunststück fertig bringt, neue Mitte und alte Linke zu versöhnen, der zugleich für Mindestlohn und niedrigere Unternehmenssteuern steht, ein charismatischer Kraftprotz, auf den sich eine Mehrheit wenn auch murrend einlässt. Zur Meisterprüfung wird der Umgang mit der Linkspartei. Diese Aufgabe ist komplex genug, noch einige Vorsitzende zu verschleißen. Steinmeiers relativ sichere Position an der Spitze der Fraktion ist derzeit die beste Ausgangslage für 2013.

Quelle: Berliner Morgenpost

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