Leipziger Volkszeitung zur Tour de France
Archivmeldung vom 07.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWas unterscheidet Klöden, Winokurow, Valverde oder Sastre von ihren Vorgängern? Heute gehen sie in London als Favoriten der Tour de France an den Start, doch weniger verdächtig als frühere Gesamtsieger sind sie nicht. Ihnen wird nicht mehr zugetraut, ohne unerlaubte Mittel die Pässe der Alpen und Pyrenäen in schier unmenschlicher Geschwindigkeit hochzujagen, weil im letzten Jahr zu viele Betrügereien ihrer berühmten und gefeierten Kollegen aufgedeckt wurden.
Die große Schleife war eine große Lüge.
Dafür haben die Ullrichs und Bassos gesorgt. Vielleicht nicht nur aus
eigenem Antrieb, sondern auf Anraten von Betreuern, unter Anleitung
von Ärzten und dem Druck von Sponsoren. Sicher auch aus der
Gewissheit heraus, dass es schon immer üblich war und einfach
dazugehörte, verbotene Medikamente im Gepäck zu haben oder neuerdings
Blutmanipulationen vorzunehmen. Unrechtsbewusstsein war unter den
Voraussetzungen der gegenseitigen Vertrautheit, des Wegschauens und
der - auch das gehört zur Tour-Geschichte - in vielen Fällen
unkritischen Berichterstattung kein Begleiter, der Einhalt geboten
hätte.
Jeder Fahrer, der mit reinem Gewissen an den Start geht, kann einem
leid tun. Die Aushängeschilder seiner Sportart haben es durch ihre
Manipulationen geschafft, dass häufig alle über einen Kamm geschert
und kritisch beurteilt werden. So ungerecht sippenhafte
Verdächtigungen immer sind, so unvermeidbar sind sie angesichts der
Geständnisse und Überführungen in den letzten Monaten. Wie soll sich
der enttäuschte Radsport-Fan auch anders verhalten, da ihm seine
Idole in all den Jahren in einem ausgeklügelten System ein unwürdiges
Schauspiel geliefert haben?
Es wird nichts mehr geglaubt, Zweifel und Argwohn regieren. Verweise
auf andere Sportarten, in denen es möglicherweise nicht besser
zugeht, wirken wie ein hilfloses Ablenkungsmanöver. Wie weit entfernt
viele Radsportler nach wie vor von der Bereitschaft zur Aufklärung
sind, zeigt ihr gestriges Verhalten in London. Wer sich Fragen zum
Thema Doping von vornherein verbietet, erweckt nicht gerade den
Eindruck, als sei er überhaupt daran interessiert, Licht ins Dunkel
zu bringen. Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen - die Haltung
der Vergangenheit erweist sich als keine vertrauensbildende Maßnahme.
Solche aber braucht die Tour als Zeichen für einen wirklichen
Neubeginn. Noch immer sieht es nicht danach aus, als sei allen und
jedem der Ernst der Lage bewusst. Dabei steht ab heute mehr als die
Zukunft der Tour de France auf dem Spiel. Sie war immer ein Beispiel
für die Faszination des Sports. Ein eher schlechtes zwar, wie sich
erwies. Aber eines, das anderen als Vorbild dienen könnte - wenn die
Tour endlich den Weg zur Umkehr und zur Glaubwürdigkeit schafft.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung