Güllner hält Kanzlerschaft Klingbeils für "sehr unwahrscheinlich"
Der Meinungsforscher Manfred Güllner sieht in dem SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil einen "begnadeten Machttechniker", betrachtet aber dessen Chancen auf die Kanzlerschaft skeptisch. Es sei "sehr unwahrscheinlich, dass Herr Klingbeil eines Tages Kanzler wird", sagte der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa dem "Tagesspiegel".
"Die Ausgangslage für die SPD ist dramatisch schlecht, so schlecht wie
noch nie. Seit der Bildung der großen Koalition sehe ich noch keinen
Hinweis darauf, wie die SPD ihre Wählersubstanz vergrößern könnte. Im
Gegenteil, sie verliert an Zuspruch."
Klingbeil komme in der
Politiker-Rangliste "relativ gut weg", wenn er auch längst nicht so
beliebt sei wie Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), sagte
Güllner: "Er hat im Volk eine gewisse Grundsympathie. Aber das ist zu
wenig. Ihm müsste auch Kompetenz zugebilligt werden, um so politische
Konturen zu entwickeln. Das fehlt alles noch, trotz seines neuen Amtes
als Finanzminister."
Güllner sieht eine erhebliche
Mitverantwortung Klingbeils für das historische Debakel der SPD bei der
Bundestagswahl im Februar. "Der Kanzlerkandidat Olaf Scholz war
offenkundig die falsche Entscheidung. Jeder in- und außerhalb der SPD
wusste das", sagte Güllner. Wenn es Klingbeil "um die Kraft, ja um die
Existenz der SPD gegangen wäre, hätte er Pistorius als Kanzlerkandidaten
durchsetzen müssen". Dass Scholz am Ende Kandidat gewesen sei, habe
Klingbeil zu verantworten. "Diese falsche Entscheidung hat die SPD
mehrere Prozentpunkte gekostet, auf gut Deutsch: Klingbeil hat damit
Macht verspielt."
Außerdem habe es Klingbeil zu verantworten,
dass sich dessen Co-Vorsitzende Saskia Esken "nach vorne schieben
konnte", sagte Güllner: "Er dürfte Interesse an einer schwachen Kollegin
gehabt haben. Das hat der SPD schwer geschadet." Der SPD-Wahlkampf sei
"miserabel" gewesen.
Güllner warf Klingbeil vor, aus eigenem
Machtantrieb eine Kanzlerkandidatur von Pistorius verhindert zu haben.
"Er wollte mit Pistorius keinen Konkurrenten, schob ihn beiseite, weil
er die Chance sah, Alleinherrscher in der SPD zu werden. Sein
persönliches Machtstreben war erfolgreich, der SPD hat es geschadet",
sagte der Meinungsforscher.
Mit Blick auf eine künftige
Bundestagswahl sagte Güllner, Pistorius sei "beliebt und erfolgreich",
Klingbeil aber "ein begnadeter Machttechniker". Es sei offen, ob der
SPD-Chef Pistorius als Kanzlerkandidat "zum Zuge kommen ließe". Er
fürchte, "Klingbeil wird die Kanzlerkandidatur nicht hergeben".
Quelle: dts Nachrichtenagentur