Berlins Justizsenatorin attestiert AfD-Verbotsdebatte "Kurzschluss"
Archivmeldung vom 23.06.2025
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Freigeschaltet durch Sanjo Babić
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Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) hat der Debatte um ein Verbot der AfD einen "Kurzschluss" attestiert. Zugleich warnte sie, es sei verfrüht, jetzt über ein Verbot der Partei zu diskutieren. "Bei der Debatte über ein AfD-Verbot wird sehr oft die juristische mit der politischen Seite vermischt. Das ist aus meiner Sicht ein problematischer Kurzschluss", sagte Badenberg dem Tagesspiegel.
Zunächst müsse man sich "sachlich und nüchtern" mit den juristischen
Anforderungen auseinandersetzen, bevor man zu der Frage komme, ob es
politisch angezeigt sei, eine Partei, die seit Jahren immer mehr an
Zuspruch gewinnt, zu verbieten. "Diese Frage stellt sich aus meiner
Sicht erst und nur dann, wenn die juristischen Voraussetzungen für ein
Verbot vorliegen. Alles andere wäre unverantwortlich", sagte Badenberg.
Badenberg
war bis zu ihrem Amtsantritt als Justizsenatorin 2023 Vize-Präsidentin
des Bundesamtes für Verfassungsschutz und wirkte mit an der Einstufung
der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall. Im Mai hatte das Amt
die Partei hochgestuft - zu gesichert extremistisch. Wegen einer Klage
vor dem Verwaltungsgericht Köln liegt das Verfahren aber nun auf Eis.
"Aktuell
befinden wir uns in einem Stadium, in dem nicht einmal die Höherstufung
zur gesichert rechtsextremistischen Bestrebung gerichtlich bestätigt
ist", sagte Badenberg. Beim Verfassungsschutz gebe es ein dreistufiges
System: Prüffall, Verdachtsfall, gesicherter Extremismus. "Um ein
Verbotsverfahren gegen eine Partei einzuleiten, muss darüber hinaus
deren Verfassungsfeindlichkeit festgestellt werden. Aus juristischer
Perspektive befinden wir uns momentan aufgrund der Stillhaltezusage des
Verfassungsschutzes aber erst auf der zweiten Stufe", sagte die
Juristin. "Für ein Verbotsverfahren muss aber über den gesicherten
Extremismus hinaus die Verfassungsfeindlichkeit der Partei gegeben sein.
Daher ist es aktuell verfrüht, jetzt über die vierte Stufe zu
diskutieren." Daher müsse zunächst die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts Köln über die Höherstufung der AfD als gesichert
rechtsextrem abgewartet werden.
Für eine Verfassungsfeindlichkeit
müsse der AfD in Gänze nachgewiesen werden, dass sie bereit ist, die
freiheitlich-demokratische Grundordnung massiv zu beeinträchtigen oder
gar zu beseitigen. "Und dafür reichen einzelne relevante Äußerungen
nicht aus", sagte Badenberg. "Ausschlaggebend sind nach Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts vor allem offizielle Stellungnahmen, etwa
das Parteiprogramm oder Parteitagsbeschlüsse. Und wenn Sie sich diese
anschauen, gibt es wenige Anhaltspunkte. Die AfD hat in den letzten
Jahren dazugelernt."
Badenberg ist jedoch nicht grundsätzlich
gegen ein Verbot. "Ich will klar sagen: Wenn die rechtlichen
Voraussetzungen vorliegen, muss über ein Verbot ernsthaft nachgedacht
werden", sagte sie. "Warum sollte man denn auf ein Instrument zum Schutz
des Staates verzichten?" Dabei müsse aber eine hohe Wahrscheinlichkeit
auf Erfolg bestehen. "Denn scheitert ein Verbotsverfahren in Karlsruhe,
bekäme die AfD vom höchsten Gericht, dem Bundesverfassungsgericht, quasi
eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt und könnte so ihre
Opferrolle verstetigen." Das halte sie nicht nur für kontraproduktiv,
sondern auch für gefährlich.
Quelle: dts Nachrichtenagentur