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Börsen-Zeitung: Erdogans Erdbeben

Archivmeldung vom 11.08.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.08.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Mit dem drastischen Kursrutsch ist aus der Lira-Krise ein Erdbeben geworden, das weit über die Grenzen der Türkei hinaus zu spüren ist. Die Währung des Landes sackte in der Spitze um 23 Prozent auf 6,80 Lira pro Dollar ab, ein Rekordtief, bei dem sich die seit Jahresbeginn angefallenen Verluste auf nahezu 80 Prozent summierten.

Seit die türkische Notenbank im Juli von einer angesichts der anziehenden Inflation und schwächelnden Währung dringenden - und deutlichen - Leitzinserhöhung abgesehen hatte, verstärkte sich der Druck auf die Finanzmärkte des Landes bereits, weil dadurch die Sorgen um die Unabhängigkeit der Notenbank befeuert wurden. In der abgelaufenen Woche brachten dann die US-Sanktionen wegen eines in der Türkei inhaftierten amerikanischen Pfarrers und ein Bericht, nach dem die EZB-Bankenaufsicht über das Engagement von Instituten des Euroraums in dem Land besorgt sein soll, das Fass zum Überlaufen.

Eine weitere Verschärfung der Entwicklung hätte nicht nur für Banken mit starkem Engagement in der Türkei unangenehme Konsequenzen. Sie würde auch Anleger hart treffen. Schließlich ist das Land nach Volumen einer der größten Emittenten von Hartwährungsanleihen. Seine Schuldtitel sind in vielen auf Schwellenländer fokussierte Portfolien und Fonds prominent vertreten. Hinzu kommt die Ansteckungsgefahr für andere Schwellenländer, die am Freitag in den Verlusten ihrer Währungen bereits erkennbar wurde.

Die größten Sorgen müssen sich jedoch die Türkei und ihr Präsident Recep Tayyip Erdogan machen. Der Sturz der Lira und die steigenden Zinsen machen die Bedienung und Refinanzierung der Fremdwährungsverbindlichkeiten des Staates sowie der Banken und Unternehmen zu einer immer schwereren Last, und durch die jüngste Entwicklung mehren sich die Zweifel, dass das noch lange gut geht. "Mittlerweile spielen die Märkte durchaus einen Default der Türkei durch, die Prämien der Kreditausfallversicherungen (CDS) kletterten auf mehrjährige Höchststände", so die Landesbank Baden-Württemberg.

Versuche des türkischen Finanzministers, Erdogans Schwiegersohn Berat Albayrak, die Lage mit einem Bekenntnis zu einer unabhängigen Notenbank zu beruhigen, verpufften wirkungslos. Dazu trug neben den von den USA deutlich erhöhten Zöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte aus der Türkei bei, dass Erdogan erneut Verschwörungstheorien bemühte und von einem "Wirtschaftskrieg" und "künstlicher Finanzvolatilität" sprach.

Um ein völliges Desaster zu verhindern, müsste der türkische Präsident eigentlich die richtigen Signale senden. Mit seinem hohen Leistungsbilanzdefizit ist das Land, dessen Währungsreserven ein bedenklich niedriges Niveau erreicht haben, auf Kapitalzuflüsse angewiesen. Das setzt aber Vertrauen voraus. Kurzum: Erdogan muss sich in einem ersten Schritt klar zur Unabhängigkeit der Zentralbank bekennen. Und diese muss umgehend den Leitzins deutlich erhöhen, um die Währung zu stabilisieren.

Die jüngste Erosion des Anlegervertrauens in die Türkei, so die Ratingagentur Moody's Anfang Juni, als sie die Bonitätsnote des Landes auf die Watchlist setzte, werde anhalten, wenn sie nicht mit glaubwürdigen politischen Maßnahmen angegangen werde, was zu einer deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit gravierender Zahlungsbilanzprobleme führen werde. Die negative Veränderung der Investorenstimmung sei eine erhebliche Herausforderung für ein Land, das stark von Nettokapitalzuflüssen abhängig sei, um einen jährlichen externen Bruttoausleihebedarf von mehr als 200 Mrd. Dollar zu finanzieren, was das große Leistungsbilanzdefizit und kurzfristige sowie vor der Fälligkeit stehende langfristige Schuldenfälligkeiten in erheblichem Umfang reflektierten. Die Währungsreserven deckten weniger als diesen Betrag. Im Juni war es fünf vor zwölf, jetzt ist es zwölf - mindestens.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Christopher Kalbhenn

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