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Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten illegal zu Wahlkampfzwecken eingesetzt

Archivmeldung vom 17.09.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.09.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Markus Vogelbacher / pixelio.de
Bild: Markus Vogelbacher / pixelio.de

Nach Recherchen des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" werden wissenschaftliche Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten in den letzten Monaten vor der Bundestagswahl fast ausschließlich zu Wahlkampfzwecken eingesetzt.

Das ergab eine Recherchereise quer durch Deutschland. "Report Mainz" hat den Wahlkampf von Bundestagsabgeordneten in Nürnberg (SPD), Aachen (Bündnis 90/Die Grünen), Rostock (Die Linke), Ludwigsburg (CDU) und Reutlingen (FDP) beobachtet. Fazit: Befragte Mitarbeiter von Abgeordneten haben vor der Kamera bestätigt, dass sie täglich "zehn bis zwölf Stunden Wahlkampf" machen, im Moment ihre Arbeit aus "achtzig Prozent Wahlkampf" besteht, " das Kernteam ist nicht ehrenamtlich, das ist hier beschäftigt", die geleisteten Überstunden "entweder bezahlt" oder "mit Freizeitausgleich" abgegolten werden. Nach Beobachtungen von "Report Mainz" sind die Mitarbeiter vor Ort an den Wahlkampfständen eingesetzt, aber auch zum Plakatekleben und Flyerverteilen. Manche der Abgeordneten beordern sogar ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter in dieser Zeit aus dem Bundestag extra in ihren Wahlkreis.

Nach dem Abgeordnetengesetz dürfen diese wissenschaftlichen Mitarbeiter dem Abgeordneten nur bei dessen parlamentarischer Arbeit helfen und folglich keine Parteiarbeit und keinen Wahlkampf machen.

Der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim sieht im Einsatz von Abgeordneten-Mitarbeitern im Wahlkampf eine "illegale Parteienfinanzierung". Im Interview mit "Report Mainz" sagte er: "Wenn Abgeordneten-Mitarbeiter zum Wahlkampf herangezogen werden, dann läuft das auf eine verschleierte Parteienfinanzierung aus der Staatskasse hinaus, weil die Parteien entsprechende Aufwendungen ersparen. Und die ist eindeutig rechts- und verfassungswidrig." Professor von Arnim beziffert den Schaden für den Steuerzahler "auf mindestens 15 Millionen Euro", wenn nur ein kleiner Teil der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Abgeordneten die letzten drei Monate vor der Wahl mit Wahlkampf beschäftigt sind: "Das liegt auch daran, dass es an der Kontrolle fehlt. Hier besteht praktisch eine völlige Kontrolllosigkeit. Nicht einmal der Bundesrechnungshof darf die Abgeordneten-Mitarbeiter überprüfen.", kritisiert er außerdem.

Der fränkische Bundestagsabgeordnete für die SPD, Martin Burkert, gestand ganz offen vor der Kamera ein: "Während des Wahlkampfes zieht man seine Mitarbeiter, die ja sonst im Betreuungswahlkreis, im Wahlkreisbüro und in Berlin sind, schon zusammen. Die helfen alle mit. Die wollen auch alle beschäftigt werden - klar!" Ähnliches sagte auch der Linken-Abgeordnete Steffen Bockhahn: "Also wer seinen Wahlkampf ohne seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreich machen kann, der hat entweder verdammt viele finanzielle Ressourcen, um sich einen parallelen Stab anzuschaffen, oder er hat den Wert seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verstanden." Nach Abschluss der Dreharbeiten erklären die beiden Abgeordneten, ihre Teams würden sich ehrenamtlich engagieren und alles sei rechtmäßig.

Hans Herbert von Arnim sieht in der illegalen Beschäftigung von wissenschaftlichen Mitarbeitern der Abgeordneten zu Wahlkampfzwecken den Straftatbestand der Untreue erfüllt und fordert staatsanwaltschaftliche Ermittlungen: "Da es sich bei der Verwendung von Abgeordneten-Mitarbeitern für den Wahlkampf um eine zweckwidrige Verwendung öffentlicher Mittel handelt, liegt hier der Tatbestand der strafrechtlichen Untreue nahe. Hier müssen meines Erachtens die Staatsanwaltschaften ermitteln."

Ein ehemaliger Mitarbeiter, fünf Jahre lang beschäftigt bei einem CDU-Bundestagsabgeordneten und bei der CDU-Fraktion, sagte "Report Mainz":"Alle Abgeordneten, wirklich alle, beschäftigen ihre Mitarbeiter auch zu Wahlkampfzwecken. Zwar wissen alle theoretisch, dass sie das nicht tun dürfen, aber praktisch hält sich keiner dran." Die Mitarbeiter seien im Wahlkampf viel unterwegs, würden diesen für den Abgeordneten von A bis Z managen. Das ginge schon immer so und in den letzten Monaten vor dem Wahltermin würden sie nichts anderes als Wahlkampf machen.

Nur die Grünen- Bundestagsabgeordnete Bettina Herlitzius aus Aachen, räumte gegenüber "Report Mainz" ein, dass die Arbeit der Mitarbeiter bislang in einer "Grauzone" stattfinde: "Wenn da jetzt massive Kritik von Verfassungsrechtlern kommt, dann muss man Verantwortung übernehmen." Zusammen mit Bundestagspräsidenten und Ältestenrat solle nach der Wahl neu geregelt werden, "bis wohin bin ich bei noch bei parlamentarischer Arbeit, und wo geht es über in eine Wahlkampfaktivität."

Insgesamt sind rund 4.400 wissenschaftliche Mitarbeiter bei Abgeordneten angestellt. Im Durchschnitt beschäftigt jeder Abgeordnete sieben Mitarbeiter, die Mehrzahl davon in Berlin und meist zwei bis drei im Wahlkreis. Bezahlt werden die persönlichen Mitarbeiter der Abgeordneten aus der sogenannten Mitarbeiterpauschale des Bundestages. Jedem Abgeordneten stehen dafür jeden Monat rund 20.000 Euro inklusive Sozialleistungen zur Verfügung. Das kostet den Steuerzahler jährlich 125 Millionen Euro.

Quelle: SWR - Das Erste (ots)

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