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Kleinste Schritte, größte Wirkung

Archivmeldung vom 21.10.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.10.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Dennis Witte
Dr. Lars Wörmer, Prof. Kai-Uwe Hinrichs und Dr. Marcus Elvert (von links) inspizieren einen Bohrkern
Quelle: Foto: A. Gerdes, MARUM - Universität Bremen (idw)
Dr. Lars Wörmer, Prof. Kai-Uwe Hinrichs und Dr. Marcus Elvert (von links) inspizieren einen Bohrkern Quelle: Foto: A. Gerdes, MARUM - Universität Bremen (idw)

Neue Methode bietet einzigartige Einblicke in die Klima- und Umweltgeschichte In der US-amerikanischen Wissenschaftszeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) stellt ein bremisches Forscherteam jetzt eine neuartige Methode vor, um vorzeitliche Klima- und Umweltveränderungen zu untersuchen. Das Team koppelte einen speziellen Laser mit einem Massenspektrometer und konnte so einem fast 10.000 Jahre alten Sedimentkern aus dem Mittelmeer Umweltinformationen im Vierjahres-Rhythmus entlocken. Eine solch genaue zeitliche Auflösung war bislang unvorstellbar. Zudem müssen die Proben mit der neuen Methode nicht, wie bislang, aufwändig präpariert werden.

Dunkle Faulschlammlagen in einem Kern, der Anfang 1995 im Mittelmeer südöstlich von Sizilien erbohrt
Quelle: Foto: A. Gerdes, MARUM - Universität Bremen (idw)
Dunkle Faulschlammlagen in einem Kern, der Anfang 1995 im Mittelmeer südöstlich von Sizilien erbohrt Quelle: Foto: A. Gerdes, MARUM - Universität Bremen (idw)

Vor etwa sechs- bis neuntausend Jahren herrschte in den unteren Wasserschichten des östlichen Mittelmeers Sauerstoffmangel. Es bildeten sich Faulschlämme, sogenannte Sapropele, die heute in Meeresablagerungen aus jener Epoche als dunkle Lagen gut erkennbar sind. Ein Team um den Biogeochemiker Dr. Lars Wörmer untersuchte jetzt einen nur sechs Zentimeter kurzen Abschnitt eines solchen Sedimentkerns. Im Fokus standen dabei organische Moleküle, sogenannte Lipid-Biomarker. Diese Zellbausteine stammen von einzelligen Meeresorganismen, sogenannten Archaeen, die bis heute in allen Ozeanen leben. Als sie starben, wurden deren Überreste und mit ihnen die Lipide am Meeresboden abgelagert. Heute nutzen Klimaforscher die in den Sedimenten enthaltenen Lipide als Indikatoren, die stellvertretend für direkte Messungen, Informationen über vorzeitliche Umweltbedingungen im Meer liefern.

„Bislang mussten wir, wenn es um Lipide ging, unsere Proben aufwändig für die Messprozedur vorbereiten“, sagt MARUM-Mitarbeiter Dr. Lars Wörmer. „Außerdem benötigten wir vergleichsweise viel Probenmaterial, was auf Kosten der zeitlichen Auflösung unserer Ergebnisse ging.“ Jetzt kooperierte das Forscherteam mit der auf dem Bremer Universitätscampus ansässigen Firma Bruker Daltonik GmbH. Gemeinsam nahm man die nur wenige Zentimeter große Sedimentprobe aus dem Mittelmeer mit einem speziellen Laser unter die Lupe, der mit einem Massenspektrometer gekoppelt war. Auf diese Weise „tasteten“ die Wissenschaftler das kleine Stückchen Sediment mit mehr als 4.000 Messungen ab. Dabei lagen die Messpunkte nur jeweils winzige 250 Tausendstel Millimeter voneinander entfernt.

Die Ergebnisse übertrafen alle Erwartungen: „Unsere Messungen liefern Informationen über die damals herrschenden Meerwasserbedingungen. Und zwar mit bislang unerreichter zeitlicher Auflösung“, sagt Lars Wörmer, Erstautor des PNAS-Artikels. „Während wir mit herkömmlichen Methoden nur eine Auflösung von Jahrhunderten erzielen, bietet uns die neue Methode Informationen, die jeweils nur vier Jahre auseinander liegen.“ Wörmer und Kollegen konzentrierten sich auf zwei verwandte Lipide, deren Verhältnis zueinander mit der Oberflächentemperatur des Meerwassers variiert.

„Vier Jahre – das mag für Laien nach einem groben Raster klingen“, sagt Prof. Kai-Uwe Hinrichs, Leiter der Arbeitsgruppe Organische Geochemie am MARUM. „Aber uns ermöglicht das völlig neue Einblicke in vergangene Umweltereignisse.“ So entdeckten die PNAS-Autoren durch weitere Analysen, dass vor Jahrtausenden das Klima und damit die Bildung der Faulschlämme im östlichen Mittelmeer durch schwankende Intensitäten der Sonneneinstrahlung beeinflusst wurden. „Der Rhythmus, in dem die Meerwassertemperaturen und andere Bedingungen im Meer vor einigen Jahrtausenden schwankten, ist vom sogenannten de Vries-Zyklus geprägt“, sagt Hinrichs. Dieser solare Zyklus hat eine mittlere Periode von etwa 210 Jahren und bestimmte mit über das Auf und Ab von Temperatur und Niederschlag im Mittelmeerraum. Diese Faktoren prägten wiederum die Sauerstoffverhältnisse im Meerwasser und waren damit entscheidende Vorbedingungen für die Bildung von Faulschlämmen.

„In den kommenden Monaten und Jahren wollen wir die neue Methode auf weitere Biomarker ausdehnen, um mehr über die ökologischen Verhältnisse im vorzeitlichen Ozean zu erfahren“, sagt Prof. Hinrichs. „Wir wollen aber auch Ablagerungen aus Meeresgebieten mit besonders hohen Sedimentationsraten untersuchen. Damit werden wir eine zeitliche Auflösung im Bereich von Monaten erreichen!“

Veröffentlichung:

Lars Wörmer, Marcus Elvert, Jens Fuchser, Julius Sebastian Lipp, Pier Luigi Buttigieg, Matthias Zabel, Kai-Uwe Hinrichs: Ultra-high-resolution paleoenvironmental records via direct laser-based analysis of lipid biomarkers in sediment core samples

In: Proceedings of the National Academy of Sciences, Early Online Edition, 20. Oktober 2014: http://www.pnas.org/content/early/2014/10/15/1405237111.abstract

Quelle: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen (idw)

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