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Buschkowski: Die Bundeskanzlerin spaltet das Land

Archivmeldung vom 08.02.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.02.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Buschkowsky auf dem Kongress christlicher Führungskräfte im Januar 2013.
Buschkowsky auf dem Kongress christlicher Führungskräfte im Januar 2013.

Foto: Christliches Medienmagazin pro
Lizenz: CC-BY-2.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der frühere Bürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD), wirft Bundeskanzlerin Merkel die Spaltung des Landes vor. "Die Kanzlerin hat uns ein Problem beschert, das uns die nächsten 10 bis 20 Jahre beschäftigen wird. Sie hat damit eins erreicht: Sie hat das Land gespalten", sagt Buschkowski der in Bielefeld erscheinenden Neuen Westfälischen.

Niemand nehme es ernst, wenn die Kanzlerin erkläre, Flüchtlinge müssten wieder zurück. "Menschen aus den ärmsten Winkeln der Welt sind gefühlt im Paradies angekommen. Ich habe mit einer 18-köpfigen Flüchtlingsfamilie im Zug gesessen. Das bedeutet rund 6.000 Euro Sozialleistungen. Glauben Sie, dass diese Familie je wieder in den Hunger zurückgeht?", so Buschkowsky. Da halte sich "doch jeder den Bauch vor Lachen". Man müsse es nun hinbekommen, dass die Integration gelinge. "Da gibt es reichlich Hürden, die man nicht mehr benennen darf, ohne Rassist oder islamophob geschimpft zu werden". Europa müsse aufwachen aus der Isolation nationaler Interessen. Buschkowski plädiert zugleich für ein Einwanderungsgesetz: "Hätten wir ein Einwanderungsgesetz, wäre alles leichter zu handhaben gewesen."

Das vollständige Interview im Wortlaut:

Herr Buschkowsky, die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt ist eine zentrale Zukunftsfrage für Deutschland. Ist diese Aufgabe lösbar?

HEINZ BUSCHKOWSKY: Das wird die Zukunft zeigen. Wehe uns, wenn wir wieder versagen. Im Moment kommt Gott sei Dank mehr Realismus in die Debatte. Integration in den Arbeitsmarkt geht nicht hopplahopp. Das ist ein mühevoller und langwieriger Prozess, zum Teil über Generationen. In Schweden lehrt die Erfahrung, dass es durchschnittlich sieben Jahre dauert, bis ein Migrant im Arbeitsmarkt Fuß gefasst hat. Die Prognosen für den Arbeitsmarkt sind eher düster.

BUSCHKOWSKY: Ja, Arbeitsministerin Andrea Nahles rechnet mit bis zu 500.000 Flüchtlingen im Hartz-IV-Bezug. Es fehlen Basiskompetenzen und die Sprache. Diese Mängel kann man nicht in ein paar Monaten mit ehrenamtlichen Helfern wettmachen. Vor uns liegt ein langer Weg und kein gesellschaftlicher Schnupfen, den wir mit ein paar Tabletten verjagen.

Kann der Mittelstand Fachkräfte aus der Gruppe der Migranten gewinnen?

BUSCHKOWSKY: Als Endabnehmer sicher. Aber der Meister mit fünf Gesellen ist völlig überfordert, wenn er Sprache, Beruf und Kultur im Arbeitsprozess nebenbei vermitteln soll. Training on the Job, also Schrauben und Lernen, geht nur in der Industrie. Die Menschen müssen sich daran gewöhnen, dass auch eine Chefin sagt, wo's langgeht, und der Kollege ein Brot mit Leberwurst isst. Welche Erfahrungen haben Sie in Sachen Integration in Neukölln gemacht?

BUSCHKOWSKY: Dass nichts von allein geschieht, schon gar nicht bei der Integration. Es ist Sozialromantik, zu glauben, dass alle Einwanderer von dem Gedanken beseelt sind, sich zu integrieren. Das ist harte Arbeit, und da leben manche nach dem Prinzip des Wassers: immer den leichtesten Weg nehmen. Doch das Leben nur untereinander in Parallelgesellschaften ist das Gegenteil von Integration. Viele Einwanderer haben sich eingerichtet, aber nicht angestrengt. Nahles sagt: Wo Anstrengungen bei der Integration unterbleiben, dort kürzen wir Sozialleistungen. Der Satz könnte von mir sein.

Wo sind die Grenzen der Integrationsfähigkeit?

BUSCHKOWSKY: In einem geordneten Verfahren sind sie recht weit gesteckt. Im Moment fehlt uns nicht die Fähigkeit, sondern wir haben ein Massenproblem. Unsere Behörden waren nicht darauf eingestellt, täglich Tausende Menschen logistisch zu versorgen und individuell zu erfassen. Deswegen wissen wir bis heute nicht, wer im Land ist. Hätten wir ein Einwanderungsgesetz, wäre alles leichter zu handhaben gewesen. Wahrscheinlich wären wir sogar dem Chaos entkommen.

Wie groß ist das Problem der Kriminalität von Migranten?

BUSCHKOWSKY: Natürlich gibt es auch da Kriminalität. Wie überall. Es kommen nicht 1,1 Millionen Menschen ins Land, und alle sind Mutter Teresas Enkel. Die Konsumverlockung in den Regalen ist groß. Zudem sind große Mengen von alleinstehenden jungen Männern immer ein Gefährdungspotenzial. Kommt dann ein Frauenbild gemischt aus Tradition, Kultur und Islam hinzu, dann laufen die Dinge schon einmal aus dem Ruder. Silvester in Köln war nicht in der Sache, sondern in der Dimension überraschend. Mich hat irritiert, dass unsere Staatsmacht vor 1.000 betrunkenen jungen Männern davonläuft. Die Schwindeleien und Reinwaschungen hinterher waren nur peinlich.

Welche Rezepte können gegen Ghettobildung helfen?

BUSCHKOWSKY: Stadtviertel wie Neukölln, Duisburg-Marxloh und wie sie alle heißen sind Opfer der Parallelgesellschaften und Ghettobildungen. Niemand hat früher den ethnischen Clustern entgegengewirkt. Staatliche Regulierung war verpönt. So entstanden soziale Brennpunkte, in denen die nachfolgende Generation so gut wie keine Chance hat. Ende der 1980er Jahre war man bei der Aussiedlerwelle schlauer und verteilte sie aufs Land. Wer Integration will, muss die Begegnung mit den Menschen organisieren. Keiner will aufs Land, aber wir müssen unsere Städte vor Überforderung und Verlust der Urbanität schützen. Eine erneute Wohnsitzauflage wie für die Spätaussiedler ist der richtige Weg, zumal er vom Bundesverfassungsgericht abgesegnet ist. Wo läuft die Integrationsdebatte in Deutschland in eine falsche Richtung?

BUSCHKOWSKY: Ohne Zehntausende Freiwillige wäre es zu einer menschlichen Katastrophe gekommen. Aber man darf die Realität des Lebens nie aus den Augen verlieren. La Ola und Tausende von Selfies haben eine ungeheure Magnetwirkung. Wir müssen neue Strukturen schaffen. Allein für die Sprachausbildung fehlen 20.000 Lehrer, die es auf dem Markt nicht gibt. 350.000 schulpflichtige Flüchtlingskinder warten auf einen Platz in der Schule. Hunderttausende Wohnungen müssen gebaut und Arbeitsplatzqualifikationen vermittelt werden. Das kostet Geld. Im Moment geistert der Betrag von 25 Milliarden Euro im Jahr durch die Medien. Dagegen war die Griechenlandpleite ein Kindergeburtstag.

Was muss sich also ändern?

BUSCHKOWSKY: Frau Merkel erklärte den Grenzverzicht, und die Menschen kamen und kommen. Wir können aber nicht pro Woche Tausende aufnehmen, und keiner merkt was. Dieses Jahr wird vermutlich wieder eine Million Flüchtlinge kommen. Wir stoßen schon an unsere Grenzen. Der Zustrom muss eingedämmt werden. Entschleunigt, sagen die SPD-Innenminister. Doch 8 bis 10 Millionen sind noch unterwegs, lautet die Prognose von Entwicklungsminister Müller. Europa muss aufwachen aus der Isolation nationaler Interessen.

Was raten Sie der Kanzlerin?

BUSCHKOWSKY: Ich würde ihr sagen: Die Paste ist aus der Tube. Wir müssen aufhören, den Leuten weiszumachen, dass alles kein Problem ist. Wenn die Kanzlerin erklärt: Die Flüchtlinge müssen wieder zurück, wenn dort die Krisen vorbei sind, hält sich doch jeder den Bauch vor Lachen. Wann soll das sein? Menschen aus den ärmsten Winkeln der Welt sind gefühlt im Paradies angekommen. Ich habe mit einer 18-köpfigen Flüchtlingsfamilie im Zug gesessen. Das bedeutet rund 6.000 Euro Sozialleistungen. Glauben Sie, dass diese Familie je wieder in den Hunger zurückgeht? Egal, ob es uns passt: Wir müssen es hinbekommen, dass das mit der Integration klappt. Da gibt es reichlich Hürden, die man nicht mehr benennen darf, ohne Rassist oder islamophob geschimpft zu werden.

Ist der Grund dafür eine fehlende Streitkultur?

BUSCHKOWSKY: Neukölln ist heute kein sozialer Brennpunkt mehr, sondern "ein Stadtgebiet mit besonderem Aufmerksamkeitsbedarf". Schläger sind verhaltensindividuelle Menschen und Schulschwänzer schuldistanzierte Jugendliche. Wir verniedlichen alles. Probleme will keiner mehr hören. Das behindert Politik. Es wird nicht mehr gesagt, was Sache ist. Wo kein Problem ist, muss man auch keines lösen. Wer unsere Werte auf dem Altar der Beliebigkeit opfert, verschafft Kulturrelativismus und damit dem Werteverfall freie Bahn.

Wie gelingt es, die Flüchtlingsdebatte wieder in sachliche Bahnen zu lenken?

BUSCHKOWSKY: Das wird sehr schwer. Falsch verstandenes, aber grenzenloses Gutmenschentum gepaart mit aufopferndem Helfersyndrom auf der einen Seite und brandschatzende Rechtsradikale auf der anderen. Die Volksparteien beschließen Placebos, und die Grünen wollen ein anderes Land. Das Volk will das nicht. Die Kanzlerin hat uns ein Problem beschert, das uns die nächsten 10 bis 20 Jahre beschäftigen wird. Sie hat damit eins erreicht: Sie hat das Land gespalten. Über den Rest urteilt das Geschichtsbuch.

Quelle: Neue Westfälische (Bielefeld) (ots)

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