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Tabakschwärmer prüfen Blüten mit zweiter Nase

Archivmeldung vom 28.05.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.05.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Der Falter führt seinen Rüssel in die Hülle einer Tabakblüte ein, die auf eine Y-förmige Röhre aufgesteckt ist. Der Saugrüssel verweilt länger im unteren Ast, in den ein Blütenduft eingeführt wird. Quelle: Alexander Haverkamp / Max-Planck-Institut für chemische Ökologie (idw)
Der Falter führt seinen Rüssel in die Hülle einer Tabakblüte ein, die auf eine Y-förmige Röhre aufgesteckt ist. Der Saugrüssel verweilt länger im unteren Ast, in den ein Blütenduft eingeführt wird. Quelle: Alexander Haverkamp / Max-Planck-Institut für chemische Ökologie (idw)

Mit Riechzellen auf der Spitze des Saugrüssels erkennen die Motten am Duft, ob sich der Blütenbesuch lohnt: Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena zeigen, dass Tabakschwärmer den Duft beim direkten Blütenkontakt mit ihrem Saugrüssel wahrnehmen, auf dem jetzt die dafür erforderlichen Riechzellen nachgewiesen wurden. Nur an duftenden Blüten, verweilen die Motten lange genug, um Nektar zu trinken und mit ausreichend Pollen am Saugrüssel eine andere, ebenfalls duftende Pflanze erfolgreich zu bestäuben.

Ein Tabakschwärmer besucht Blüten des Kojotentabaks Nicotiana attenuata. Die nachtaktiven Motten werden vom Duft der Blüten angelockt, besuchen allerdings auch nicht-duftende Blüten. Quelle: Danny Kessler / Max-Planck-Institut für chemische Ökologie (idw)
Ein Tabakschwärmer besucht Blüten des Kojotentabaks Nicotiana attenuata. Die nachtaktiven Motten werden vom Duft der Blüten angelockt, besuchen allerdings auch nicht-duftende Blüten. Quelle: Danny Kessler / Max-Planck-Institut für chemische Ökologie (idw)

Blüten ohne Duft produzieren weniger Samen, obwohl sie genauso oft von Bestäubern besucht werden. Diese überraschende Beobachtung haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena bei Untersuchungen von Tabakpflanzen gemacht, die keinen Blütenduft produzieren. Die Forscher zeigten, dass der Duft für die Bestäubung von entscheidender Bedeutung ist: Tabakschwärmer, die wichtigsten Bestäuber des Kojotentabaks Nicotiana attenuata, nehmen den Duft beim direkten Blütenkontakt mit ihrem Saugrüssel wahr, auf dem jetzt die dafür erforderlichen Riechzellen nachgewiesen wurden. Nur an duftenden Blüten, verweilen die Motten lange genug, um Nektar zu trinken und mit ausreichend Pollen am Saugrüssel eine andere, ebenfalls duftende Pflanze erfolgreich zu bestäuben. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift eLife veröffentlicht (eLife, Mai 2016, DOI: 10.7554/eLife.15039).

Auch nicht duftende Blüten werden von Tabakschwärmern besucht

Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass Blüten ohne Duft von nachtaktiven Bestäubern, wie beispielsweise Schwärmern, überhaupt nicht wahrgenommen werden können. Solche trügerischen Blüten würden allenfalls von benachbarten, duftenden Blüten profitieren. Untersuchungen hatten ergeben, dass duftende Pflanzen deutlich mehr Samen produzierten als nicht duftende.

Danny Kessler und Felipe Yon und ihre Kollegen aus der Abteilung Molekulare Ökologie des Max-Planck-Instituts in Jena errichteten nun Zelte und beobachteten unter ähnlichen Bedingungen wie in der Natur Tabakpflanzen der Art Nicotiana attenuata, deren Blüten keinen Duft mehr produzieren konnten. Sie stellten fest, dass nicht-duftende Blüten genauso häufig von Tabakschwärmern (Manduca sexta) besucht wurden wie duftende. Warum bildeten geruchslose Pflanzen dann weniger Samen? Welche Rolle spielten dabei die Bestäuber und insbesondere deren Duftwahrnehmung? Die Ökologen holten sich Hilfe bei ihren Kollegen Markus Knaden und Alexander Haverkamp aus der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie, die das duft-gesteuerte Verhalten von Insekten untersuchen.

Tabakschwärmer im Verhaltenstest

Die Verhaltensforscher hatten bereits Erfahrungen bei Verhaltensexperimenten mit den Motten gesammelt. Für diese spezielle Fragestellung entwickelten sie ein sogenanntes „Y-Maze“-Experiment, bei dem im Anschluss an eine Blütenöffnung ein Y-förmiges Röhrensystem verwendet wird und sich das Tier im Versuch für eine der beiden Röhrenendungen entscheiden muss (siehe Grafik). Dabei wurde in eine Endung ein Duft eingeleitet, in die andere nicht. Das Verhalten der Tabakschwärmer wurde dann im Windkanal aufgezeichnet. Das „Y-Maze“-Experiment zeigte, dass die Motten mit ihrem Rüssel deutlich länger in dem Teil der Y-Röhre verweilten, in den ein Blütenduft eingeleitet wurde. Dies war umso bemerkenswerter, als die Antennen, also die eigentlichen Riechorgane der Insekten, aufgrund des experimentellen Aufbaus die Duftquelle gar nicht wahrnehmen konnten: „Die beachtliche Länge des Rüssels hat zur Folge, dass die Antennen nicht sehr nah an die Blüte herankommen. Außerdem wird deren Duftaufnahme durch den Wind der Flügelschläge erschwert“, erläutert Knaden. Womit erkannten die Motten dann aber die Anwesenheit des Blütendufts?

Aktive Riech-Gene im Saugrüssel

Mit Hilfe molekularbiologischer Methoden identifizierten die Forscher aktive Motten-Gene auf dem Saugrüssel der Tabakschwärmer. Darunter befanden sich auch die Gene von zwei Geruchsrezeptoren: dem olfaktorischen Ko-Rezeptor ORCO und dem ionotropen Ko-Rezeptor IR25a. Das ORCO-Gen war nur an der Spitze des Saugrüssels aktiv, während das IR25a-Gen in oberen Bereichen zu finden war. Dieser Befund weist darauf hin, dass der Saugrüssel eine viel wichtigere Rolle bei der Duftwahrnehmung spielt als bislang angenommen. Auf elektronenmikroskopischen Aufnahmen der Rüsselspitze entdeckten die Wissenschaftler ein beim Tabakschwärmer bislang unbekanntes Sinneshärchen.

Die Single Sensillum Recording-Methode, mit der die Reaktion einzelner Sinneshaare auf bestimmte Düfte gemessen wird, erbrachte den Nachweis, dass das Rüssel-Sinneshärchen auf den Blütenduft reagiert. Offenbar spüren Tabakschwärmer mit ihrer Rüsselspitze den Blütenduft auf, wie Alexander Haverkamp, einer der Erstautoren der Veröffentlichung betont: „Unsere Studie zeigt, dass die Funktion des Mottenrüssels viel komplexer ist als vermutet. In früheren Studien gingen Wissenschaftler davon aus, dass der Saugrüssel lediglich grundlegende Geschmackskategorien wie süß oder bitter wahrnehmen kann. Nun ist klar, dass die Insekten mit ihrem Rüssel auch Duftmoleküle riechen können.“

Pflanzen müssen duften, um die Ökosystemdienstleistung der Bestäuber sicherzustellen

Bestäuber sind mit dem Problem konfrontiert, dass sie nicht direkt wahrnehmen können, wieviel Nektar sich in einzelnen Blüten befindet. Der Blütenduft liefert jedoch einen wichtigen Hinweis für die Anwesenheit von Nektar, denn er gibt Informationen über das Alter und die physiologische Aktivität einer Blüte, und damit indirekt auch über die Nektarproduktion. Ein Falter, der den Duft zielsicher aufspüren kann, hat auch bessere Chancen, Blüten mit viel Nektar zu finden. Für die Pflanzen erhöht der Duft die Fitness einzelner Blüten, denn die Blüten werden nicht nur besser von den Motten wahrgenommen, ihr Geruch fördert auch die Futtersuche der Schwärmer und somit die erfolgreiche Bestäubung und Fortpflanzung. Studienleiter Danny Kessler fasst zusammen: „Insekten haben unglaubliche sensorische Fähigkeiten, von denen längst nicht alle bekannt sind. Diese Fähigkeiten der Bestäuber wurden bei Untersuchungen zur Blütenökologie lange vernachlässigt. Die Evolution von Blüten und Bestäubern ist eng miteinander verknüpft. Grundlegende neue Erkenntnisse über die Überträger von Pollen helfen uns ganz entscheidend dabei, auch die Evolution und Funktion von Blütenmerkmalen besser zu verstehen.“

Quelle: Max-Planck-Institut für chemische Ökologie (idw)

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