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„Trau keinem von der Presse“ – Russlands Bild in deutschen „Leitmedien“ im Gespräch

Archivmeldung vom 23.06.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.06.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Mundtot. Bild: aboutpixel.de, marshi
Mundtot. Bild: aboutpixel.de, marshi

Wege aus der Sackgasse in den deutsch-russischen Beziehungen statt weiterer Abschottung wurden bei einer Diskussion über die Medienberichterstattung zu Russland gefordert. Die Medien haben dabei eine wichtige Aufgabe, so Martin Hoffmann vom Deutsch-Russischen Forum. Doch an der Krise ist nur Moskau Schuld, meint Benjamin Bidder von Spiegel online.

Die deutsche Ausgabe von Sputnik meldet weiter: „In sich geschlossene Erzählungen“ und abgeschottete Sichten auf den jeweils anderen, das machte Martin Hoffmann, Geschäftsführer des Deutsch-Russischen Forums (DRF), am Donnerstag als Problem im Verhältnis von Deutschland und Russland aus. Beide Seiten könnten ihre Sichten „in sich logisch“ durch Fakten und Zitate belegen und „in Perfektion darstellen“.

„Es wäre eine große und wichtige Aufgabe medialer Art, zu zeigen, wie sind diese Parallelwelten beschaffen und wie kommen wir aus der Sackgasse heraus.“

Hoffmann sprach darüber auf der Diskussionsveranstaltung „Trau keinem von der Presse – wirklich?“ der Berliner Landeszentrale für politische Bildung. Der Gipfelpunkt ist aus Sicht des DRF-Vertreters, dass in Deutschland die aus seiner Sicht russische Methode übernommen worden sei, der Gegenseite vorzuwerfen, sie sei für alle Probleme verantwortlich und unterminiere gezielt.

Hoffmann bedauerte, dass die Medien nicht helfen würden, die „Paralleluniversen auf beiden Seiten“ zu überwinden. Eine „breite mediale Mehrheit“ würde nur die Punkte herausgreifen, die für mehr Eskalation sprechen, anstatt dazu beizutragen, aus der gefährlichen Situation der Konfrontation herauszufinden. Er kritisierte unter anderem „einen medialen Mainstream, der die Möglichkeit einer echten Diskussion verhindert“. Das erfolge nicht über gelenkte Zensur, aber über Druck via medialer Mechanismen dafür, dass nur ein ganz bestimmtes Russland-Bild gezeigt werde. Abweichende Stimmen würden dagegen kaum wiedergegeben.

Das bestätigte indirekt der Journalist Benjamin Bidder, langjähriger Spiegel-Korrespondent in Moskau. Er wollte von Hoffmann wissen, was denn an dem Russland-Bild deutscher Medien falsch sei. Moderator Nedrik Sittig vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) hatte ihn zu Beginn der Veranstaltung mit der These vorgestellt, der Grund für die antirussische Berichterstattung liege in Russland selber.

Vorwurf am 22. Juni: „Russischer Informationskrieg“

Einen Beleg für das, was DRF-Geschäftsführer beschrieb, lieferte in der Runde die Berliner Politologin und Historikerin Dr. Susanne Spahn. Sie warf der russischen Regierung vor, einen „konzeptionellen und außenpolitischen Informationskrieg“ gegen den Westen zu führen. Das versuchte sie mit Erkenntnissen aus ihrer Studie „Das Ukraine-Bild in Deutschland: Die Rolle der russischen Medien. Wie Russland die öffentliche Meinung in Deutschland beeinflusst.“ zu untermauern.

Spahn behauptete: „Die russische Politik und die russische Führung zielt ganz klar darauf ab, den Westen als Feind zu stilisieren.“

Das sieht sie als die von ihr eingeforderte „richtige Reihenfolge von Ursache und Wirkung“. Dabei ließ die Osteuropa-Historikerin Zusammenhänge und Vorgeschichte der Ukraine-Krise weg und machte ausschließlich den Kreml und Präsident Wladimir Putin für diese Krise verantwortlich. Den „größten Einfluss“ in dem angeblichen Informationskrieg hätten die „deutsche Fürsprecher der russischen Politik“ – zum Beispiel der AfD-Politiker Alexander Gauland. Aber auch deutsche Medien nahm sie ins Visier und warf zum Beispiel der ARD „distanzlose Kreml-Berichterstattung“ vor, weil diese ein angeblich unkritisches Interview mit Putin gesendet habe.

Der Politologe und Historiker Dmitri Stratievski hatte zu Beginn der Veranstaltung darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig zum Beispiel das Datum, der 22. Juni, ist, „um die Russen und auch die russischen Sensibilitäten zu verstehen“. Dafür dürfe dieser Tag im Jahr 1941, als die faschistische deutsche Wehrmacht die Sowjetunion überfiel und einen Vernichtungskrieg begann, nicht vergessen und „die Wirkungen und Nachwirkungen im Hinterkopf behalten“ werden. Der in Odessa geborene und heute am Osteuropa-Zentrum Berlin arbeitende Politologe machte eine Putin-zentrierte Berichterstattung in Deutschland aus, obwohl der russische Präsident kein Alleinherrscher sei. „Das ist ein großes Manko der deutschen Presse“, bedauerte Stratievski. Viele Journalisten würden unter anderem aus Zeitmangel zu wenig in die Tiefe gehen und dabei übersehen: „Russland ist nicht nur das größte Land der Erde. Das ist auch das Land vieler Kontroversen. Das ist ein Flickenteppich, der nicht nur aus Moskau und Sankt Petersburg besteht.“ Es werde zu wenig über die Gesellschaft Russland berichtet und den Menschen in dem Land kein Gesicht gegeben.

Wunsch nach mehr Kontext

Dem stimmte Bidder zu, heute Wirtschaftsredakteur bei Spiegel online. Doch zugleich verteidigte er die politische Berichterstattung in Deutschland über Russland, die bei Themen wie Ostukraine und Syrien nicht weiter komme, ohne Putin zu erwähnen, „als jemand, der die russische Politik sehr stark prägt“. Der russische Präsident sei hierzulande „die Marke, die bekannt ist“. „Das ist das, was die große Mehrheit der Öffentlichkeit interessiert“, sagte Bidder. Während den tagessaktuellen Entwicklungen hinterhergehechelt werden, bleibe aber „häufig darüber hinaus zu wenig Zeit, zu wenig Raum, zu wenig Möglichkeiten, um das Bild, das wir zeigen, das nicht falsch ist, aber nur ein Teil, zu ergänzen um den Rest des Bildes: Was tut sich eigentlich in der russischen Gesellschaft?“ Bidder wird nachgesagt, dass er sich für ein differenzierteres Bild des Landes ausspreche.

Am Donnerstag sagte er: „Ich würde mir wünschen, dass wir mehr Russlandkompetenz auch in den Medien haben, damit wir mehr Leute haben, die Kontext herstellen können.“ Der Spiegel-Journalist bedauerte, dass es nach seinem Eindruck zwei Lager gibt: „Die einen, die Russland sehr bzw. extrem kritisch sehen“, und auf der anderen Seite jene, „die die Politik des Kreml nicht beim Namen nennen wollen“.

Aber wenn es um die russische Politik geht, scheint er selbst eher zum ersten Lager zu gehören. Zu Beginn, gefragt nach medialen Ereignissen, die ihn in letzter Zeit geärgert hätten, verwies er unter anderem auf SPD-Chef Martin Schulz. Diesem warf er vor, in einem Gastbeitrag für Spiegel online am 25. Mai die europäische Aufrüstungsspirale beklagt und Abrüstung gefordert zu haben, aber die Ursache aus Bidders Sicht für die Rüstungsdiskussion in der EU dafür weggelassen zu haben: „nämlich die Krim-Krise und den Krieg in der Ost-Ukraine“. Und für beides hält der Spiegel-Journalist eben Moskau verantwortlich.

Propaganda machen immer nur die anderen

Damit lieferte er ein vielleicht ungewolltes Beispiel für das Problem deutscher „Leit-Medien“: Sie sind, aus welchem Grund auch immer, auf einer Linie mit den politisch herrschenden Eliten hierzulande. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte erst am Vortag mehr EU-Rüstungsausgaben unter anderem „mit der „Annexion der Krim und dem Beginn des hybriden Krieges in der Ostukraine durch Russland“ begründet. Es ist die gleiche Sicht und das gleiche Denken, was herrschende Politik und führende Medien ganz freiwillig und quasi von allein zusammenbringt. Ihnen passt die Politik der Führung Russlands nicht und das werfen sie Moskau vor. Und Propaganda machen natürlich immer nur die anderen.

Die Veranstaltung hatte neben der einladenden Berliner Landeszentrale für politische Bildung das Kommunalpolitische Bildungswerk Berlin e.V. organisiert, gemeinsam mit der der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. Berlin-Brandenburg.

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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