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Börsen-Zeitung: In fragwürdiger Sorglosigkeit

Archivmeldung vom 23.07.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.07.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Egal wohin man am Freitag schaute: Sowohl an den Aktien- als auch an den Zins-, Devisen- und den Rohstoffmärkten herrschte eine fast einschläfernde Ruhe; nennenswerte Veränderungen waren kaum festzustellen.

Eine Entwicklung war jedoch sehr bemerkenswert. Der Volatilitätsindex VDax New, der anhand von Optionen erwartete Marktschwankungen misst und damit wie ein Seismograf für Gelassenheit (niedrige Werte) bzw. Nervosität funktioniert, sank bis auf 17,73 und damit auf ein Jahrestief und auf den niedrigsten Stand seit August 2015. Am 16. Juni hatte der Index noch ein Jahreshoch von 39,23 erreicht.

War da nichts? Haben nicht gerade die Briten für den EU-Ausstieg votiert, mit all den negativen Konsequenzen, die das nicht nur für die britische Wirtschaft haben wird? Ist die Türkei nicht gerade im Begriff, sich in eine sehr bedenkliche Richtung zu entwickeln, auch dies mit potenziell erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen nicht nur in dem Land?

Und hat Donald Trump etwa schon irgendetwas gesagt, das darauf schließen ließe, dass sich die weltweit führende Wirtschaftsnation im Falle seines Wahlsiegs vielleicht doch nicht ganz so abträglich entwickeln wird, wie es seine Kampfrhetorik vermuten lassen könnte? Anders gefragt: Wie kann es sein, dass die Marktteilnehmer in diesem sehr unsicheren Umfeld so sorglos scheinen und der amerikanische Aktienmarkt jetzt sogar wieder auf historische Höchststände durchgebrochen ist?

Notenbanken als Treiber

Eine Erklärung ist, dass sich die Sorgen über die US-Wirtschaft, die durch einen deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibenden Arbeitsmarktbericht geschürt worden waren, sich durch den deutlich robuster als erwartet ausgefallenen Bericht über Juni wieder gelegt haben. Gleichzeitig bedeutet das Brexit-Votum zwar realwirtschaftliche Risiken. Es sorgt aber dafür, dass den Aktienmärkten ihr seit Jahren wichtigster Treibstoff - Liquidität und niedrige Zinsen - nicht ausgeht. Die Europäische Zentralbank und die Bank of Japan, so die feste Überzeugung der Marktteilnehmer, werden noch weitere Lockerungsmaßnahmen beschließen.

Die Bank of England, die einst als erste große Zentralbank galt, die eine Leitzinserhöhung beschließen wird, dürfte auf absehbare Zeit nicht einmal im Traum daran denken, sondern sehr wahrscheinlich sogar mit einer Senkung aufwarten. Die Investmentbank Morgan Stanley glaubt nun, dass die US-Zentralbank Fed bis Ende 2017 stillhalten wird, und prognostiziert, dass amerikanische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit im kommenden Jahr auf ein Rekordtief von 1% fallen werden.

Marktteilnehmern wird daher angesichts eines immer größeren Anteils negative Verzinsungen aufweisender Staatsanleihen vielfach nichts anderes übrig bleiben, als zu Risiko-Assets wie Dividendentiteln und Credits zu greifen. Im Euroraum kommt jetzt hinzu, dass die Notenbank nun auch noch den Credit-Pool leer zu fischen hilft. Relativ gute Bewertungen oder ein Mangel an Alternativen, in den USA zudem die umfangreichen Aktienrückkäufe der Unternehmen sind aber letztlich keine nachhaltig solide Basis für den Aktienmarkt. Das ist nach wie vor die Entwicklung der Unternehmensgewinne.

Anspruchsvolle Bewertung

Aus ebendiesem Grund ist die derzeit am Markt grassierende Sorglosigkeit zu hinterfragen. Wie sich insbesondere der Brexit auswirken wird, ist derzeit nur ungefähr vorstellbar. Die Risiken für Konjunktur und Gewinne sind aber insgesamt gesehen auf jeden Fall abwärtsgerichtet, das ohnehin magere Wachstum von Wirtschaft und Gewinnen wird ein Stückchen weiter reduziert.

Schon vor dem Brexit-Votum wurden die Erwartungen für das globale Wachstum Zug um Zug reduziert, und dieser Trend wird wohl so schnell nicht abreißen. Vor diesem Hintergrund werden die Erwartungen an die Unternehmensgewinne noch zurückzuschrauben sein. Hinzu kommt, dass die Bewertung des amerikanischen Aktienmarktes sehr anspruchsvoll geworden ist. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 17 notiert der US-Markt fast 20% über seiner mittleren historischen Bewertung, so die DZ Bank.

Die Kombination aus hoher Bewertung des US-Markts, einem nur bescheidenen Wachstum, damit verbundenen drohenden Enttäuschungen von Markterwartungen sowie konjunkturellen und politischen Risiken deutet auf Korrekturanfälligkeit der Aktienmärkte hin und dürfte zumindest das Aufwärtspotenzial für die kommenden Monate begrenzen. Ein Index verfügt aber mit ziemlich großer Sicherheit über Aufwärtspotenzial: der VDax New.

Quelle: Kommentar von Christopher Kalbhenn - Börsen-Zeitung (ots)

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