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Die Krim-Krise und das Strafgericht des Claus Kleber

Archivmeldung vom 03.04.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.04.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Nach seinem Besuch bei Russlands Präsident Wladimir Putin muss Siemens-Chef Jo Kaeser heftige Kritik aus Politik und Medien einstecken. Vizekanzler Sigmar Gabriel zetert in der ARD. Im ZDF veranstaltet Moderator Claus Kleber ein Live-Tribunal. Doch ihre billige Moskau-Schelte zieht nicht, die Chefs der Dax-Unternehmen Post, Thyssen-Krupp und Adidas monieren „Fehler“ im Umgang mit Russland.

„Irgendwie schräg“ seien die Visite und die Bemühungen Kaesers um Aufträge aus Russland inmitten der Krim-Krise, findet Bundeswirtschaftsminister Gabriel. „Wir wollen keine Wirtschaftssanktionen“, sagt der SPD-Politiker im ARD-„Bericht aus Berlin“. "Aber wir müssen auch dem russischen Präsidenten zeigen, dass die Politik, die er betreibt, an die imperiale Politik des letzten Jahrhunderts erinnert, dass wir die nicht akzeptieren können.“ Überhaupt dürfe man „nicht den Eindruck machen, dass sich Europa seine Werte und die Klarheit, dass wir für die Unverletzlichkeit von Grenzen eintreten, dass wir uns die nicht wie Pfeffersäcke abkaufen lassen“.

Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, legt im „Spiegel“ nach. „Kaesers Vorgehen zeigt, dass er entweder die geopolitische Bedeutung der Krise nicht verstanden hat oder dass er das Einzelinteresse seines Unternehmens über die Interessen nicht nur Deutschlands, sondern Europas und des gesamten Westens stellt.“ Das Vorgehen des Siemens-Chefs sei „peinlich und unverantwortlich“. Da wird laut gepoltert, tatsächlich war der Besuch mit dem Kanzleramt abgestimmt.

Hintergrund der Aufregung: Kaeser hatte bei seinem Treffen mit Putin bekundet, dass sein Konzern auf eine „langfristige Wertepartnerschaft“ setzt. Und der Wirtschaftsführer hat das danach auch noch im TV-Interview bekräftigt. Siemens sei seit 160 Jahren in Russland tätig und lasse sich „von kurzfristigen Turbulenzen in der langfristigen Planung nicht leiten“. Derlei Realitätssinn hat ZDF-Chefmoderator Claus Kleber ein „Strafgericht“ über den Siemens-Mann veranstalten lassen. FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher wertet das Fünf-Minuten-Verhör eine „Sternstunde der Selbstinszenierung des Journalismus.“

In seinem Beitrag „Echtzeit- Eskalationsjournalismus“ im Feuilleton der FAZ bringt Schirrmacher die mediale High-Noon-Stimmung auf den Punkt: „Unerbittlich nahm Kleber den Mann in die Zange: Kaeser war, lange geplant, nach Moskau gefahren ('Was haben Sie sich bei Ihrem Freundschaftsbesuch gedacht?'), er hat nicht nur Putin besucht ('Wie lange mussten Sie warten?'), sondern auch den mit Einreiseverbot belegten Eisenbahnchef ('Und Sie haben mit dem geredet!') – und das alles, so Kleber, 'als Repräsentant eines Unternehmens, das auch für Deutschland steht'.“

Schirrmacher weiter: „Diese Inquisition, die auch in ihrem nur dem Remmidemmi verpflichteten Desinteresse daran, was Kaeser von Putin denn gehört haben könnte, alles in den Schatten stellt, was man an Vaterlandsverratsrhetorik aus dem wirklichen Kalten Krieg kannte, ist überhaupt nur als Symptom journalistischen Übermenschentums diskutierbar und wird dadurch allerdings auch über den peinlichen Anlass hinaus interessant. Beharren auf einer normativen Deutung dessen, was die westlichen Sanktionen angeblich bedeuten, verwandelt Journalismus in Politik und das Fernsehstudio in einen Ort, wo der Interviewer plötzlich außenpolitische Bulletins abgibt: Claus Kleber zeigt der deutschen Wirtschaft die rote Linie auf.“

Rote Linien sind bekanntlich so eine Sache. In der „Welt“ bekunden Post-Chef Frank Appell, ThyssenKrupp-Vorsitzende Heinrich Hiesinger und Adidas-Boss Herbert Hainer Verständnis für Putins Kurs in der Ukraine-Krise. Im Umgang mit Russland seien „Fehler“ gemacht worden. „Man sollte vielleicht früher bedenken, was das Ergebnis ist, wenn man im Vorhof einer anderen Großmacht von außen für politische Veränderungen sorgt“, sagt Appel. Und Hainer merkt an: „Man muss sich fragen, ob man jemanden wie Putin nicht wesentlich früher hätte in den Prozess einbinden sollen - statt die Gespräche erst dann zu beginnen, wenn es zu spät ist.“ „Dass Putin sich nicht einfach bieten lässt, was in der Ukraine passiert, war abzusehen.“ Hiesinger: „Hier ist eine Situation entstanden, in der sich Russland in die Ecke gedrängt fühlte.“ Unisono warnen die Manager vor Sanktionen. Die führten immer zu Gegensanktionen, „so dass am Ende beide Seiten leiden“.

Ähnlich haben sich bekanntlich die Altkanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder geäußert. Auch Willy Wimmer, von 1988 bis 1992 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verteidigung und ehemaliger Vizepräsident der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), warnt eindringlich davor, Putin die Alleinschuld an der Ukraine-Krise zu geben. Die USA wollen ihre Macht ausdehnen und könnten Europa einen Krieg bescheren, warnt der CDU-Politiker in einem beachtenswerten Interview mit dem Ingolstädter „Donaukurier“

Sanktionen gegen Russland seien falsch, so Wimmer. „Die westlichen Staaten inklusive Deutschland haben die frei gewählte Regierung Janukowitsch mit gestürzt. Als die Ereignisse auf dem Maidan-Platz in Kiew aus dem Ruder zu laufen drohten, haben die Russen uns davor bewahrt, dass die gesamte Ukraine in Flammen aufgeht. Denn der harte Kern, die rechten Kräfte, drohten auszuschwärmen.“

Der CDU-Mann ruft den Lesern in Erinnerung: „Auf der Krim ist die russische Schwarzmeerflotte unter anderem mit ihren Nuklearwaffen stationiert. Wenn Gewalt dort eskaliert wäre, hätten wir längst einen Konflikt in ganz Europa. Insofern ist es nachvollziehbar, dass Russland das Referendum des Regionalparlaments angenommen hat. Man hat in den vergangenen Jahren immer wieder gesagt, dass das Selbstbestimmungsrecht der Völker unter bestimmten Umständen geachtet werden muss. Das hat auch der Internationale Gerichtshof in Den Haag durch ein Urteil beim Kosovo bestätigt. Für mich sind diese Umstände auf der Krim gegeben. Die Krim wurde nicht annektiert – das ist ein Sprachgebrauch der NATO. Die Krim wollte zu Russland.“

Und auf die Frage, ob er denn keine Angst habe, „dass Putin sich nun den Rest der Ukraine einverleibt“, antwortet Wimmer: „Mir wäre es lieber, wenn wir die USA nicht ständig in die Lage versetzen würden, zu tun, was sie wollen. Seit Beginn des Bürgerkrieges in Syrien sehen wir, dass die Vereinigten Staaten alles getan haben, um die russische Föderation aus Syrien heraus zu Fall zu bringen. Die Krim ist dabei von zentraler Bedeutung: Man kann den russischen Marinestützpunkt in Syrien nicht betreiben, wenn man auf der Krim nicht die Schwarzmeerflotte stationiert hat. Die Amerikaner haben ein strategisches Interesse daran, die Krim unter ihre Kontrolle zu bekommen. Wir wissen seit 15 Jahren: Die Amerikaner sind darauf aus, die russischen Erdöl- und Erdgasbestände zu kontrollieren.“

Wimmer verweist auf eine vom US-Außenministerium im Mai 2000 in Bratislava ausgerichtete Konferenz, zu der auch er eingeladen gewesen sei. „Dort stellten die USA ihre Pläne vor – statt mit den anderen Ministern und Staatspräsidenten darüber zu diskutieren. Die Amerikaner wollten von Riga an der Ostsee quer durch die Ukraine über Odessa bis in das türkische Diyarbakir eine Linie ziehen. Die Argumentation der USA war folgende: Alles, was westlich dieser Linie ist, ist unser Gebiet und wird amerikanisch dominiert – also unmittelbar vor Russland.“

Klardenker wie Wimmer kommen in Lokalzeitungen zu Wort, die Großen sind für Kopf-ab- und Hau-drauf-Interviews zuständig.

Quelle: Text Rüdiger Göbel - „Stimme Russlands"

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