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Die Pressefreiheit wird nicht nur von Terroristen in Frankreich bedroht

Archivmeldung vom 07.02.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.02.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es ist ein wahrhaft altes Lied, älter noch als die moderne Variante von Bertolt Brecht in seiner Moritat von Mackie Messer: „Doch man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht …“ – im Falle unserer modernen Mediengesellschaft sind das die im Licht der Scheinwerfer. Was man sieht, mag, wie im Falle der angeblich an der Spitze eines Demonstrationszugs marschierenden Staatsmänner und –frauen nach dem Anschlag in Paris, auch noch ein klein wenig geschummelt sein. Es ist jedenfalls das, was bewusst gezeigt wird. Anderes wird dafür eben nicht gezeigt und bleibt im Schatten. Manche glauben, das geschehe mit Absicht und Vorsatz. Doch es ist wohl nur eine zwangsläufige Folge unseres Gesellschaftssystems und seiner Medien, von der einige profitieren.

Tatsächlich hat der Anschlag auf das französische Satire-Magazin „Charlie Hebdo“ mit den zahlreichen in seiner Folge formulierten, teils pathetischen, teils jedoch auch sehr ernst gemeinten Äußerungen zum Wert der Meinungs- und Pressefreiheit ein sehr wichtiges Thema in die Öffentlichkeit getragen. Das ist die gute Nachricht, das ist DAS Gute, das einzige Gute, das dann doch in Verbindung mit dieser fürchterlichen Tat noch gesehen werden kann, was es umso kostbarer macht.

Bedauerlicherweise wurde jedoch auch für und mit all den Ansprachen und Diskussionen in diesem Zusammenhang das Thema dann nur auf die Bluttat von Paris beschränkt, so als sei sie – zumindest in den westlichen Industriestaaten - der einzige Anschlag auf die Presse-, die einzige Bedrohung der Meinungsfreiheit. Es wäre wichtig, sinnvoll und nützlich, dieses Thema weiterzuverfolgen und sich dabei auch mit jenen weniger brutalen, weniger öffentlichen, trotzdem jedoch sehr ernstzunehmenden Bedrohungen der Meinungs- und Pressefreiheit zu befassen, die im Verborgenen geschehen, tagtäglich, im Schatten unserer Geschäftswelt – jene Ereignisse und Entwicklungen, die man eben nicht sieht. Es sei denn, man ist involviert und/oder betroffen.

Betroffen sind meist kleinere Unternehmen, speziell Informationsanbieter und –verarbeiter innerhalb des World Wide Web. Das Internet hat zuvor ungeahnte Möglichkeiten der Informationsweitergabe eröffnet, die etwa dann gern ins Licht gerückt und gepriesen werden, wenn es darum geht, mittels sozialer Netzwerke Demonstrationen gegen unliebsame Regime oder Politiker in Schwellen- oder Entwicklungsländern zu organisieren.
Während in solchen Zusammenhängen immer wieder durch die arrivierten Medien, seien sie privatwirtschaftlich oder öffentlich-rechtlich verfasst, Akteurinnen und Akteure heroisiert und ihre durchaus sinnvollen Tätigkeiten mit größtem Applaus bedacht werden, schert es keinen so recht, wenn in Deutschland oder anderen Industriestaaten alternativen Informationsvermittlern und Programmanbietern mit allen legalen Mitteln, die Rechtsstaate zur Verfügung stellen, das Leben schwer und in vielen Fällen das Überleben fast unmöglich gemacht wird.

Nehmen wir einmal folgendes, durchaus reales, hier jedoch bewusst anonymisiertes Beispiel:
Im Herbst 2014 bekommt ein kleines, bewusst politisch unabhängiges und der Wirtschaft zwar zugetanes, jedoch ihr nicht geschäftlich ausgeliefertes oder mit ihr verbundenes Informationsportal im Internet Kontakt zu einem früheren Mitarbeiter einer bedeutenden deutschen Wirtschaftsauskunftei. Wobei anzumerken ist, dass besagtem früheren Mitarbeiter bereits Raum als Informant in einem Magazin eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders und bei anderen Medien eingeräumt worden war.
Im Gespräch mit diesem Mann werden Dinge erwähnt, die den Verantwortlichen die Idee nahelegen, die getroffenen Aussagen vor der Kamera wiederholen zu lassen, um diesen Beitrag dann, versehen mit einem erläuternden Text, zum Bestandteil ihres Informationsangebots zu machen.

So geschieht es also. Das Interview wird aufgezeichnet, der Text wird geschrieben. Alle Äußerungen des interviewten früheren Mitarbeiters besagten Unternehmens werden sprachlich als solche dargestellt. Seine Ansichten und Meinungen und geäußerte Mutmaßungen werden klar als das vermittelt, was sie eben sind und weder als Behauptungen noch als Tatsachen präsentiert.
Wie es die journalistische Sorgfaltspflicht vorschreibt, wird das besagte Unternehmen um eine Stellungnahme gebeten und zwar am 23. Oktober 2014. Hierzu nutzt die Redaktion des Internetportals das dazu seitens der Auskunftei auf ihrer Website eingerichtete Kontaktformular.
Das Unternehmen antwortet nicht. Es bestätigt nicht den Eingang der Anfrage, erst recht kommt es in keiner Weise der Bitte um eine Stellungnahme nach. Der Beitrag wird im Internet eingestellt.

Am 23. Dezember 2014, also einen Tag vor Heilig Abend und damit zu einem Zeitpunkt, an dem man als normal Sterblicher kaum geeignete Schritte gegen juristische Vorwürfe und Androhungen unternehmen kann, flattert den Betreibern des Informationsportals das Schreiben einer Anwaltskanzlei ins Haus. Die Liste der namhaften und mit diversen akademischen Titeln versehenen Juristen des Hauses füllt – von oben nach unten – die längere Seite des DIN A4-Bogens und die Botschaften sind unmissverständlich: Die Kanzlei zeigt an, die Interessen der Wirtschaftsauskunftei zu vertreten, die sich durch den Beitrag im Internet, Text wie Interview, massiv beleidigt und in ihrer Ehre verletzt fühlt und daher auf einem unverzüglichen Löschen des gesamten Portals besteht. Eine Absicht, die auch durch entsprechendes Auftreten dem Provider gegenüber vermittelt wird, der jedoch – zum Glück für die Betroffenen – erst fragt, bevor er Gehorsam übt und schließlich zu dem Schluss kommt, die Aufforderung entbehre jeglicher Grundlage. Dadurch wird den Betreibern des Portals zunächst etwas Zeit verschafft, die genutzt werden muss, um sich vor weiteren solchen Attacken zu schützen … die selbstverständlich auch erfolgen und mit Androhungen von Geld- und Gefängnisstrafen verbunden sind.

Wohlgemerkt: Es ist das gute Recht jeder natürlichen oder juristischen Person, sich gegen üble Nachrede, Beleidigung oder Ehrabschneiderei zur Wehr zu setzen und wo das Gefühl beginnt, entsprechend dargestellt worden zu sein, ist subjektiv und im Zweifel Bestandteil einer juristischen Auseinandersetzung.

Wenn allerdings ein Unternehmen seinerseits freiwillig auf das Angebot einer im Zweifelsfall klärenden Stellungnahme verzichtet, aus welchen Gründen auch immer, über die hier nicht spekuliert werden soll, und wenn dieses Unternehmen dann, einfach weil es dazu die finanziellen Mittel und die Macht besitzt, den Versuch unternimmt, ein Informationsmedium zu zerstören, wiewohl es sich in seiner Darstellung der Aussagen eines Befragten durchaus korrekt verhalten hat, dann ist das durchaus ein Anschlag auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Und wird dieser auch ausgeführt mit vom Rechtsstaat an dieser Stelle geduldeten Waffen, so bedeutet das, er ist legal. Aber ist das, was legal und damit also rechtens ist, auch in jedem Fall gerechtfertigt?

Die Meinungs- und Pressefreiheit ist ein hohes Gut in unserem Staate, das war in Folge der vielen Reden und anderer Beiträge nach dem Attentat von Paris von jeder politischen Seite aus zu vernehmen und die Bedeutung der Presse als „Vierte Gewalt“ wurde allenthalben beschworen.
Sicher waren die meisten entsprechenden Beiträge ernst gemeint gewesen. Doch es ist nicht nur richtig, sondern eben auch wohlfeil, über solch zum Glück immer noch außergewöhnliche Bedrohungen zu sprechen und sie zu verdammen. Mit gleichem Elan und mit gleicher Intensität sollten wir uns auch jenen Bedrohungen der Meinungs- und Pressefreiheit in unserem eigenen Land widmen, die leider durchaus zum Alltag zählen.

Das ist eines von mehreren Zielen, das die in 2014 eingetragene Genossenschaft ‚Neue Perspektive Medien eG‘ verfolgt. Speziell für Informationsanbieter und Programmproduzenten im Internet will sie eine Plattform bieten, sich zu organisieren und damit Probleme und Vorgänge wie die des hier dargestellten Praxis-Beispiels öffentlich zu machen und sich gemeinsam gegen Angriffe auf die Meinungs- und Pressefreiheit zu wehren.
Für Mitte März 2015 hat die Genossenschaft zu einem ersten Treffen freier Internet-Produzenten eingeladen, um einen Grundstein für diese Kooperation zu legen.

Kommentar von Valentin von Adebar

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