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Mittelbayerische Zeitung: Joe Kaeser sucht Siemens

Archivmeldung vom 28.11.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.11.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Von der Waschmaschine bis zum Hochgeschwindigkeitszug, vom Windrad bis zur Dampfturbine für die Ölindustrie - Siemens zeichnet für eine unüberschaubare Menge an Produkten und Dienstleistungen verantwortlich. Doch der einstige Riese startete wie eine heutige Garagenfirma aus Kalifornien vor knapp 170 Jahren in einem Berliner Hinterhof. Werner Siemens, später zu "von Siemens" geadelt, war Tüftler und Geschäftsmann. Mit seinem Zeigertelegrafen reagierte er auf die Nachfrage des preußischen Militärs nach schneller und sicherer Nachrichtenübertragung. Erfindergeist und Unternehmertum - gerne feiert Siemens in diesen Tagen den 200. Geburtstag seines Gründers.

Dabei hat der Konzern nur noch wenig mit seinen Ursprüngen zu tun. Denn aus dem beweglichen, neugierigen Start-up ist ein träger Koloss geworden. Schon unter Werner von Siemens wuchs das Unternehmen zu einem internationalen Player. Von England bis Japan, von Südafrika bis nach Indien wurde nur wenige Jahre nach der Gründung Siemens-Technik benutzt. Aus der Zeit des Aufbruchs und der Entwicklung ist allerdings eine Zeit des An- und Verkaufs von Konzernteilen geworden. Seit Jahren ist Siemens im Umbau. Sparten wie Licht, Halbleiter und Automotive wurden verkauft, Software und Turbomaschinen ins Portfolio aufgenommen.

Eine klare Strategie fehlte bis jetzt. Eher schien das Prinzip zu gelten: Von jedem etwas - so wäre man auf jede ökonomische und geopolitische Unwägbarkeit vorbereitet. Doch es gibt auch Entwicklungen, die optimistisch stimmen. Das Siemens-Werk in Amberg etwa gilt als vorbildlich, was den Weg in die Industrie 4.0 angeht - nicht umsonst trifft sich Konzernchef Joe Kaeser besonders gerne hier mit politischen Entscheidungsträgern.

Außerdem soll Siemens' neue Entwicklungseinheit Next47 genau den Tüftlergeist entwickeln, der Siemens einst groß machte - ein Platz, an dem auch einmal das Scheitern erlaubt ist. Für die Mitarbeiter, deren Stellen aufgrund des Umbaus wegfallen, ist das freilich wenig tröstlich. Werner von Siemens etablierte seinerzeit eine Pension-, Witwen- und Waisenkasse als betriebliche Altersversorgung.

Es stände dem Unternehmen gut zu Gesicht, wenn es beim Stellenabbau die unternehmerische Verantwortung nicht vergisst. 348 000 Beschäftigte weltweit von vormals knapp 500 000 sind am vorläufigen Ende des Umbau-Prozesses übrig geblieben. Gerade in Deutschland sind in den vergangenen Jahren massiv Stellen abgebaut worden. Die Dividende stieg indes in den vergangenen zehn Jahren beständig, zuletzt auf 3,6 Prozent.

Trotz Jobstreichungen und Verkäufen ist Siemens nach wie vor Arbeitgeber von 114 000 Mitarbeitern in Deutschland. Vier Standorte mit insgesamt 7800 Mitarbeitern unterhält der Konzern derzeit noch in der Oberpfalz. Ehemalige Töchter wie Osram, Infineon und die an Continental verkaufte VDO Automotive, an denen Siemens zum Teil noch beteiligt ist, sind für den Raum Regensburg von großer Bedeutung. Das zeigt nicht zuletzt die Aufregung um den möglichen Verkauf Osrams an einen chinesischen Konzern.

Was aus seinem Konzern geworden ist, hat von Siemens nicht mehr miterlebt. Er war schon tot, als seine Nachkommen in deutschen Konzentrationslagern Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge ausbeuteten. Er bekam nichts von den zahlreichen Schmiergeldaffären mit, vom Siemens-Skandal in Japan, der zum Sturz der dortigen Regierung im Jahr 1914 führte, nicht vom Korruptionsskandal im Jahr 2006, der das systematische Bestechen von Geschäftspartnern aufdeckte.

Wenn Joe Kaeser und seine Vorstands- und Aufsichtsratskollegen jetzt also den Konzern fit für die kommenden Jahrzehnte machen wollen, sollten sie nicht nur die Zukunftsfähigkeit Siemens' im Blick haben, sondern auch zeigen, dass sie aus der Vergangenheit gelernt haben.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung (ots) von Martin Anton

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