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Jahrringe aus Asien erklären historische Pestausbrüche in Europa

Archivmeldung vom 24.02.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.02.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Karte mit 7'711 Pest-Ausbrüchen, die sich zwischen 1347 und 1900 AD in Europa ereigneten. Die Daten basieren auf einer im Jahr 1976 veröffentlichten Publikation. Quelle: Grafik: Christian Ginzler (WSL) (idw)
Karte mit 7'711 Pest-Ausbrüchen, die sich zwischen 1347 und 1900 AD in Europa ereigneten. Die Daten basieren auf einer im Jahr 1976 veröffentlichten Publikation. Quelle: Grafik: Christian Ginzler (WSL) (idw)

Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universität Oslo und der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL konnten erstmals zeigen, dass klimatisch gesteuerte Pestausbrüche in Asien während mehrerer Jahrhunderte wiederholt die südeuropäischen Hafenstädte erreichten. Diese Erkenntnis widerlegt die bisherige Annahme, der "Schwarze Tod" sei 1347 AD auf eine einmalige Einführung des Bakteriums Yersinia pestis 1347 AD von Asien nach Europa zurückzuführen. Ihre Ergebnisse wurden diese Woche in Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States publiziert.

Mehrere hundert Jahre alter Wacholderbaum im Tien Shan in Kyrgyzstan.
Quelle: Foto: Andrea Seim (University of Gothenburg, Sweden) (idw)
Mehrere hundert Jahre alter Wacholderbaum im Tien Shan in Kyrgyzstan. Quelle: Foto: Andrea Seim (University of Gothenburg, Sweden) (idw)

Bis heute konzentrierte sich die Wissenschaft auf die Suche nach natürlichen Langzeit-Reservoiren von Yersinia pestis in Europe. Zudem hat man auch nach Klimafaktoren gesucht, welche möglicherweise zum "Schwarzen Tod" in der Mitte des 14. Jhd. beigetragen haben. Forscher der Universität Oslo und der WSL fanden nun neue Hinweise, dass eine einmalige Einwanderung des Bakteriums aus den Asiatischen Pestherden in die mediterranen Hafenstädte Europas unwahrscheinlich war.

Anstatt eines singulären Ereignisses, das die europäische Bevölkerung binnen weniger Jahre nach 1347 AD um geschätzte 40-60% dezimierte, gehen die Forscher nun davon aus, dass die Populationsdichte zentralasiatischer Nagetiere stark schwankte und der Auslöser für das wiederholte Auftreten der Pest im mittelalterlichen Europa war. Während mehr als vier Jahrhunderten haben zahlreiche Epidemien nicht nur die sozioökonomische Entwicklung, sondern auch die Kultur, Kunst und Religion des gesamten Kontinents massgeblich beeinflusst. Der Vergleich des umfangreichsten digitalen Inventars historischer Pestausbrüche (7711 Fälle) mit 15 Klimarekonstruktionen, basierend auf jährlich aufgelösten und absolut datierten Jahrringen, zeigte, dass Pestausbrüche in Asien mehrfach bis nach Europa gelangten.

Die Wissenschaftler konnten statistische Zusammenhänge zwischen hochaufgelösten Klimarekonstruktionen und der Populationsdichte sowie der Häufigkeit von Pestepidemien innerhalb des wichtigsten Pest-Wirtes, der Wüstenrennmaus (Rhombomys opimus), nachweisen. Die neuen Erkenntnisse weisen darauf hin, dass sich das Bakterium Yersinia pestis nach extrem niederschlagsreichen Jahren im natürlichen Verbreitungsgebiet Zentralasiens, zum Beispiel in Kasachstan, über die pan-eurasischen Handelswege der Seidenstrasse ausbreiten konnte; mit einer Verzögerung von 10-15 Jahren erreichte der Erreger Europa.

Gemeinsam gelang es den Schweizer und Norwegischen Kollegen, die bisherige Sichtweise von einer einmaligen Herkunft der Pest auf sich wiederholende, klimagesteuerte Ausbrüche in den natürlichen Herden Asiens zu richten. Ihre Resultate zweifeln die vorherrschende, jedoch nur wenig begründete Meinung an, Yersinia pestis habe ein permanentes, natürliches Reservoir in wild lebenden Tieren Europas gehabt, beispielsweise in der Hausrattenpopulation. Aufgrund der neuen Forschungsergebnisse gehen sie davon aus, dass sich neue Stämme mehrfach in Asien ausbreiteten und immer wieder den Weg nach Europa fanden.

Eine endgültige Bestätigung dieser Hypothese hängt jedoch von der Verfügbarkeit genetischer Proben historischer Pestopfer ab. Diese müssten im Idealfall sowohl aus unterschiedlichen Zeitepochen als auch aus mehreren Regionen in Eurasien stammen. Aufgrund der aktuellen Entwicklung der aDNA Forschung ist davon auszugehen, dass internationale Kooperationen über bestehende Disziplingrenzen hinweg voraussichtlich neue Erkenntnisse in eine faszinierende Thematik an der Schnittstelle zwischen Geschichte und Umweltwissenschaften liefern werden.

Quelle: Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL (idw)

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