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Würden Sie die Milch unter dem Bett suchen?

Archivmeldung vom 29.07.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.07.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Kognitions-Psychologin Melissa Vo baut an der Goethe-Universität ein Wahrnehmungslabor auf.
Quelle: Foto: Uwe Dettmar (idw)
Kognitions-Psychologin Melissa Vo baut an der Goethe-Universität ein Wahrnehmungslabor auf. Quelle: Foto: Uwe Dettmar (idw)

Die amerikanisch-vietnamesische Kognitions-Psychologin Melissa Vo erforscht, wie Menschen sich durch „Szenenwissen“ in einer komplexen Umwelt zurecht finden. Das ist nützlich bei der Entwicklung technischer Assistenzsysteme und könnte auch dabei helfen, Früherkennungstests für Lese-Rechtschreib-Schwächen zu entwerfen. Die 33-Jährige kommt von der Harvard Medical School nach Frankfurt.

Wer in einem fremden Haushalt nach der Milch sucht, weiß, dass er in die Küche gehen, den Kühlschrank öffnen und in der Tür suchen muss. Schon Säuglinge und Kleinkinder lernen, welche Objekte sie üblicherweise an welcher Stelle im Raum finden. Wie sich dieses „Szenenwissen“ entwickelt, ist eine der Fragen, mit denen sich die Kognitions-Psychologin Melissa Vo beschäftigt. Die 33jährige Professorin für Allgemeine Psychologie ist kürzlich von der Harvard Medical School an die Goethe-Universität berufen worden. Zusätzlich baut sie als als Stipendiatin des Emmy-Noether-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft das „Scene Grammar Lab“ am Institut für Psychologie auf.

„Die meisten Menschen halten die Leichtigkeit, mit der sie sich in ihrer Umgebung zurecht finden, Objekte wahrnehmen und mit ihnen interagieren, für selbstverständlich“, sagt Melissa Vo. Dass dies keineswegs so ist, erfuhr sie erstmals während ihrer Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo sie unter anderem mit Physikern und Ingenieuren über künstliche Intelligenz arbeitete. „Während ein Kleinkind das geliebte Stofftier ohne Schwierigkeiten unter einer Bettdecke findet, stellt dies für Roboter oder Bildverarbeitungsprogramme ein schier unlösbares Problem dar“, weiß sie.

Natürliche Szenen sind zwar komplex, aber ihr Aufbau folgt bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die das menschliche Gehirn offenbar schon früh lernt. Zur Wahrnehmung kommt also das Wissen über die Anordnung von Gegenständen im Raum. So ruhen die meisten Gegenstände auf einer horizontalen Ebene. Zeigt man daher Versuchspersonen Bilder mit schwebenden Objekten, äußert sich die Irritation darüber in veränderten Hirnsignalen. „Das EEG zeigt dann ähnliche Ausschläge wie beim Hören oder Lesen eines grammatikalisch falschen Satzes“, sagt Vo. Ebenso hat sie mithilfe von Eyetracking-Systemen markante Abweichungen der Blickbewegungen feststellen können.

Diese Beobachtungen lassen vermuten, dass das „Szenenwissen“ im Gehirn ähnlich angelegt wird wie das Wissen über grammatikalische Strukturen in der Sprache. Melissa Vo hofft deshalb, Früherkennungstests für Kinder entwickeln zu können, die zum Beispiel an Lese-Rechtschreibschwäche leiden, in dem sie noch vor der Einschulung ihr implizites „Szenenwissen“ testet. Ihre Arbeit ist aber auch von Bedeutung für die Entwicklung von technischen Assistenzsystemen, die beispielsweise ältere Menschen im Haushalt unterstützen sollen. Gemeinsam mit ihren drei Doktoranden wird sie in Frankfurt ein Wahrnehmungslabor aufbauen. Die Versuchspersonen werden nicht nur, wie bisher, am Computerbildschirm getestet werden, sondern sollen auch mit mobilen Eyetracking Brillen aktiv Gegenstände in einem Raum suchen und mit ihnen interagieren.

Die in München geborene und aufgewachsene Forscherin hat einen vietnamesischen Vater und eine amerikanische Mutter. Frankfurt ist für sie ein interessanter Forschungsstandort wegen der Kooperationspartner am Institut für Psychologie und am Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS). Weitere Partner hat sie an den Universitäten Darmstadt, Gießen und Marburg. Die Forscherin, die in den vergangenen fünf Jahren in den USA gearbeitet hat, verfügt außerdem über ein weit gespanntes Netzwerk von Kontakten zu amerikanischen Universitäten, von dem auch ihre Studenten profitieren sollen. „Noch als Diplom-Studentin vermittelte mir mein Professor einen Studienaufenthalt an der Columbia Universität in New York. Meines Erachtens sind derartige Erfahrungen extrem prägend und wegweisend“, sagt die Forscherin. Zusammen mit amerikanischen Kollegen hat sie daher selbst die internationale OPAM-Konferenz für wissenschaftlichen Nachwuchs in der Allgemeinen Psychologie organisiert.

Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main (idw)

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