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AWD & Co: Wehe, du verkaufst zu wenig

Archivmeldung vom 20.10.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.10.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
AWD-Gründer Carsten Maschmeyer: Es kommt nicht auf das Produkt an. Das muss nur verkauft werden. Bild: AWD / GoMoPa
AWD-Gründer Carsten Maschmeyer: Es kommt nicht auf das Produkt an. Das muss nur verkauft werden. Bild: AWD / GoMoPa

Der Chef der Deutschen Vermögensberatung DVAG, Professor Reinfried Pohl, aus Frankfurt am Main hat mit seinem Allfinanzkonzept Geschichte geschrieben. Er bekam von Helmut Kohl das Bundesverdienstkreuz. Das Manager-Magazin kürte ihn zum besten Verkäufer Deutschlands.

Sein Verdienst: Pohl erfand einen Beruf ohne Gehalt, ohne Sozialabsicherung, ohne geregelte Arbeitszeit, ohne Urlaubsgeld, ohne Mutterschaftsanspruch, ohne Tarife und ohne Streikgefahr. Aber dafür in sektenähnlicher Abhängigkeit von Provisionen für Versicherungen und Geldanlagen. Der Beruf nennt sich Vermögensberater im Strukturvertrieb.

Wie die Reporter des WDR-Magazins "Die Story" herausfanden, bringt der Traumberuf nur wenigen Glück und Reichtum. Die meisten übernehmen sich mit teuren Anzügen, Autos und Büros. Wie Heuschrecken jagen sie jeder Provision hinterher. Und fangen dabei im Familienkreis an. Und wehe, sie verkaufen zu wenig. Dann werden sie ohne Abfederung entsorgt.

Die großen Vertriebe wie DVAG oder AWD schneiden bei Finanztests zwar gut ab, weil sie bei Kunden eine persönliche Finanzanalyse erstellen und somit auf den ersten Blick scheinbar gut beraten. Was jedoch nicht getestet wird, sind die unnützen Produktwechsel, die verkauft werden. Aussteiger berichteten, dass bestehende Lebensversicherungen nur deshalb aufgelöst wurden, damit das Geld in neue Verträge mit neuen Provisionen umgeleitet werden konnte. Ökotest bescheinigte im Herbst 2004: "Oft scheinen die Finanzvertriebe ihren Kunden mit einer besonders großen Versorgungslücke Angst einjagen zu wollen, um damit einen Vertragsabschluss zu beschleunigen." Der Finanznachrichtendienst www.GoMoPa.net dokumentiert die Recherche-Ergebnisse.

DVAG ist die Nummer 1

Unbestrittene Nummer 1 ist die Deutsche Vermögensberatung mit Sitz in Frankfurt am Main in Hessen. Allein für sie arbeiten fast 37.000 Vermögensberater. Sie leben fast ausschließlich von Provisionen, die sie für die Vermittlung von Versicherungen, Bausparverträgen und Geldanlagen bekommen. Die DVAG ist selbst keine Bank oder Versicherung. Sie vermittelt nur die Produkte anderer wie der Aachen Münchener, Deutschen Bausparkasse Badenia oder der Deutschen Bank. Gegründet wurde der Vertrieb von Professor Reinfried Pohl Mitte der 70er Jahre. Dem Unternehmen in Frankfurt geht es von Jahr zu Jahr besser. Manchen Vermögensberater dagegen geht es von Jahr zu Jahr schlechter.

Ich kann keinem Eskimo einen Kühlschrank aufschwatzen

Auch bei Bernd Reinhardt aus Chemnitz in Sachsen geht es schon lange nur noch bergab. Früher hatte er 30 bis 40 Mitarbeiter mit mehreren Büroräumen. Heute arbeitet er nur noch in einem Büroraum für sich allein. Einst hatte die DVAG den Diplomingenieur aus dem Osten begeistert. In hausinternen Videos wirbt und motiviert sie ihre Mitarbeiter. Reinhardt sagte vor laufender Kamera: "Bis 2007 war ich einer der glühendsten Verfechter der DVAG." Im DVAG-Video reißen Männer in Anzügen die Arme hoch. "Wachse über dich hinaus", kommentiert der Firmensprecher. Damit hatte Bernd Reinhardt seine Schwierigkeiten: "Ich kann nicht jemanden, der drei Versicherungen, also Altersversorgung, hat, noch die vierte verkaufen. Ich kann also keinem Eskimo einen Kühlschrank aufschwatzen. 2007 rutschten wir, meine Frau und ich, auf Hartz-IV-Niveau ab. Ich habe zu Hause immer noch die alte DDR-Schrankwand. Meine Frau ist stinksauer."

AWD ist der zweite Riese im Geschäft

Auch Christian Harms aus Hamburg war anfangs begeistert. Er arbeitete als Finanzoptimierer für den Allgemeinen Wirtschaftsdienst, der direkten Konkurrenz der DVAG. Der AWD ist der zweite Riese im Geschäft mit Versicherungen und Geldanlagen. Der Konzern aus Hannover in Niedersachsen beschränkt sich nicht auf wenige Partner, sondern nutzt die Angebote des gesamten Marktes. Rund 11.000 Freie Handelsvertreter arbeiten insgesamt für den AWD. Auch sie leben von Provisionen.

Gegründet wurde der Vertrieb von Carsten Maschmeyer 1988. Seit dem unternahm der AWD einen rasanten Aufstieg. Daran wollte auch Christian Harms teilhaben. Er hat dafür sogar ein gutes Gehalt aufgegeben. Harms war überzeugt: Der AWD sei seine große Chance, ganz groß Karriere zu machen. Der AWD wirbt mit dem Slogan: "Wer viel erreichen will, ist beim AWD genau richtig. Hier bringt mein Einsatz wirklich Erfolg!"

 

Ich dachte, jetzt werde ich Millionär

Berater Harms: "Ganz zu Anfang, da habe ich gesagt, super, ich hab genau den Job gefunden, den ich gesucht habe, und ich werde jetzt Millionär. Und das hat man dann auch verinnerlicht und strahlt das auch aus. Mit so einer gewissen Außenwirkung. Man verändert sich als Mensch dramatisch. Dass das de facto so nicht haltbar ist, das merkt man erst im Laufe der Zeit."

Seit vier Jahren ist Harms nicht mehr dabei. Er bereut, was er getan hat. Und versucht, Kunden zu helfen, die er damals für den AWD über den Tisch gezogen hatte. Der Masseur Nadhim Al-Dabagh (67) aus Hamburg muss weiter arbeiten, obwohl er eigentlich in Rente gehen wollte. Das kann er sich aber nicht leisten, obwohl er und seine Frau Erika genau dafür vorgesorgt hatten. Al-Dabagh erhebt schwere Vorwürfe: "Mein Sondervermögen, was ich 30 Jahre gespart hatte, ist beim AWD weggegangen." Die abgeschlossenen Verträge füllen heute mehrere Ordner.

Im Jahre 2002 bekamen die Al-Dabaghs zwei Lebensversicherungen ausgezahlt und wollten das wieder anlegen. Voller Vertrauen investierte das Ehepaar das meiste Geld in eine Immobilienbeteiligung und einen Rest von 20.000 Euro in eine Beteiligung in den Internationalen Medienfonds IMF 3. Beide Anlagen haben sich schlecht entwickelt, und die Al-Dabaghs fürchten um den Totalverlust ihres Geldes.

Harms erklärt das seinen Kunden heute so: "Die Filme sind gar nicht so schlecht gelaufen. Aber das Geld ist leider nicht im Fonds gelandet, sondern irgendwo bei den Schauspielern, Regisseuren oder sonstwo. Das ist einer der Gründe, warum die Amerikaner die Anlage stupid german money (dummes deutsches Geld) nennen. Laut Planung des Produkts müsste der Fonds längst aufgelöst sein. Das hat aber noch nicht stattgefunden, weil dann aufgedeckt werden müsste, dass die Anleger nichts bekommen."

Al-Dabagh: "Ein sehr guter Freund hat mich zum AWD gebracht. Sonst hätte ich eine kleine Wohnung gekauft. Das ist nun alles weg."

Der WDR fragte den AWD: "Gab es und gibt es beim AWD Prüfverfahren und Qualitätskontrollen der Produkte, die vom AWD angeboten werden und dann den Vermittlern zum Verkauf empfohlen wurden?"

Die Antwort des AWD: "AWD setzt dabei auf eine Prüfung der Seriosität der Produktanbieter sowie die Plausibilität des jeweiligen Produktkonzeptes. Produkte weisen bezüglich ihrer potentiellen Marktentwicklung unterschiedliche Risikoprofile auf, die entsprechend kommuniziert werden und im Beratungsprozess Berücksichtigung finden. Eine nachgelagerte Prüfung der Produktperformance findet in ausgewählten Produktsparten statt, zum Beispiel bei geschlossenen Fonds."

Die geprüften AWD-Produkte gingen nach hinten los

Harms, der inzwischen als freier Vermittler tätig ist, hat da allerdings eine andere Erinnerung: "Ich bin von der angeblichen Qualitätskontrolle und von dem angeblichen Prüfverfahren wie viele andere auch hinters Licht geführt worden. Denn dort wurde ganz oft gesagt, diese Produkte haben wir geprüft, die haben wir ausgewählt, liebe AWD-Berater, die könnt ihr vermitteln. Und das sind genau die Dinger, bei denen wir 5 bis 8 Jahre später nachweisen können, die sind alle nach hinten losgegangen. Für den AWD war das attraktiv. Die Dinger haben durch die Bank weg hohe Provisionen eingespielt für den AWD und einen kleinen Teil davon für den AWD-Berater, also den Vermittler. Deshalb haben die genauso wie ich gar nicht so viele Skrupel gehabt, das zu vermitteln. Weil man ja selber irgendwie auch den Kühlschrank vollkriegen muss. Nur die Rechnung zahlt immer der Kunde. Zwangsläufig. Das Geld muss ja irgendwo herkommen."

Carsten Maschmeyer wurde mit dem AWD zum Multimillionär. Aus Anerkennung seiner Verdienste durfte er sich aus Anlass seines 50. Geburtstages ins Goldene Buch der Stadt Hildesheim eintragen, sein Geburtsort. Der AWD-Gründer hat selbst als Vermittler angefangen und sich schnell zu einem Top-Verkäufer entwickelt. Er sagt, es kommt auf die überzeugende Beratung an und gar nicht so sehr auf das Produkt. Das muss nur verkauft werden.

Im Jahre 2005 wurde Finanzoptimierer Christian Harms vom AWD gekündigt. Er hat nicht genug verkauft. Nun hat er Schulden. Denn am Anfang gewährt der AWD neuen Mitarbeitern Vorschüsse auf künftig zu verdienende Provisionen. Werden dann zu wenig Verträge vermittelt oder bereits abgeschlossene wieder gekündigt, kommt man aus dem Minus nur schwer wieder heraus.

AWD-Ausstieg mit 50.000 Euro Schulden

Harms: "Im Verhältnis zu vielen anderen Ehemaligen stehe ich noch einigermaßen gut da. Mein Schuldensaldo beim AWD beläuft sich auf etwas mehr als 16.000 Euro. Ich weiß von Kollegen, dass die locker 30.000 oder 50.000 Euro auf der Uhr stehen haben, wie man so in Fachkreisen sagt. Und das kriegen die nicht so schnell wieder abgearbeitet.

Der WDR fragte den AWD: "Wie viele Berater haben beim AWD Schulden?"

Der AWD nannte keine Zahlen: "Vorauszahlungen auf eine Provisionsvergütung sind in der Finanzdienstleistungsbranche durchaus üblich. Im Übrigen bitten wir um Verständnis, dass AWD generell keine Zahlen zu den persönlichen finanziellen Verhältnissen der Finanzberater herausgibt."

Anders als beim AWD gibt es bei der DVAG erst Geld, wenn Verträge auch tatsächlich abgeschlossen wurden. Aber dann fließt das Geld sofort an den Vermögensberater. Zurückgezahlt werden muss der Provisionsvorschuss auf eingereichte Verträge nur, wenn Verträge frühzeitig gekündigt werden.

Reinhardt verdiente anfänglich gut. Reinhardt: "Nach der Wende hatten wir nichts. Ein cleverer Vertreter hat hier mit der Schubkarre Verträge verkauft und im Monat locker 100.000 D-Mark verdient. Zehn Jahre später hatten die Leute von allem alles. Manche drei gleiche Versicherungen, was sie nicht mal gemerkt haben. In den 90er Jahren ging es bei uns nach vorne, die Menschen hatten viele Ziele und Wünsche. Nach 2000, als die Krisen anfingen, wurden die Ziele und Wünsche immer weniger. Und wenn sie keine Ziele haben , brauchen sie auch keinen Vermögensberater, und dann machen Sie keinen Umsatz. Da heißt es dann: Ach der Reinhardt kommt schon wieder. Der will bloß einen neuen Vertrag abschließen. Den wimmeln wir mal ab."

Immer häufiger klingelte Reinhardt vergebens. Als das Geschäft gar nicht mehr lief, bat er um Hilfe und wurde an den zuständigen Regionaldirektor verwiesen. Der werde ihm schon helfen, das Geschäft wieder flott zu bekommen.

Reinhardt: "Sein Vorschlag war: Versicherungen auflösen, im Aktienfonds anlegen, einen Auszahlungsplan aus dem Aktienfonds machen und aus dem Auszahlungsplan eine neue Versicherung speisen. Bei jeder Aktivität kriegen Sie Provision."

Wir mussten unser Haus verkaufen

So ähnlich lief es bei den DVAG-Kunden Holger und Helga Meisel. Statt für eine gesetzliche Rente hatten sie sich für zwei Lebensversicherungen entschieden, die im Juli 2000 zur Auszahlung kamen. Das Geld wollten sie in eine sofort beginnende Rentenversicherung einzahlen. Nach einen Gespräch mit einem DVAG-Berater investierten sie das Geld zunächst in verschiedene Fonds. Erst daraus sollte in fünf jährlichen Raten die geplante Rentenversicherung angespart werden. Jeder Vertrag brachte dem Vermögensberater Provision, den Meisels aber nicht die erhofften Renditen.

Wolfgang Meisel: "Der Gutachter hat einen Verlust von 115.000 Euro ermittelt." Die Meisels zogen 2004 vor das Frankfurter Landgericht und verloren. Meisel: "Der Vermögensberater hat ganz eindeutig unser Vertrauen missbraucht und uns in eine Richtung geführt, die wir nicht wollten. Aber wir haben diese Richtungsänderung nicht rechtzeitig erkannt." Helga Meisel: "Uns geht es schlecht. Das hat letztendlich dazu geführt, dass wir unser Haus verkaufen mussten. Und das Haus sollte eigentlich unser Altersruhesitz sein."

Nach Kündigung 15 Monate weiter arbeiten - ohne Lohn

Bei DVAG-Berater Bernd Reinhardt lief es immer schlechter. Im September 2007 kündigt er. Laut Vertrag hieß das, 15 weitere Monate für die DVAG weiter zu arbeiten, allerdings, ohne dafür Geld zu bekommen. Denn mit der Kündigung endet auch die vertragliche Vereinbarung, Provisionen im Voraus zu erhalten. Geld gibt es von der DVAG dann nur nach Gesetzeslage, nämlich, wenn der Kunde die Beiträge für die Versicherung gezahlt hat.

Reinhardt: "So schlimm habe ich es mir in meinen schlimmsten Träumen nicht vorgestellt. Es wurde sofort mein Konto gesperrt. Selbst die Verdienste vom September wurden im Oktober nicht ausbezahlt. Das Geld wurde einfach einbehalten. Ich bekam nicht einen einzigen Cent mehr. Also haben meine Frau und ich praktisch 2008 von Nichts gelebt. Ich hatte Hartz-IV beantragt, und ich musste mein Büro bezahlen. 1.200 Euro Kosten für Miete, Telefon, Auto. Von der DVAG habe ich keine Hilfe bekommen, Kasse der gegenseitigen Hilfe nennt sich das bei denen, aber wahrscheinlich für die Reichen, nicht für die Armen. Der einzige, der mir geholfen hat, war mein Sohn mit einem Verwandtendarlehen."

Frage an die DVAG: "Wie soll ein Vermögensberater in solchen Situationen überleben?"

Die DVAG schickte dem WDR eine E-Mail: "Die vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen sind rechtlich zulässig und mehrfach gerichtlich bestätigt worden." Und: "Wenn wir für unsere Vermögensberater hinsichtlich noch nicht fälliger Provisionen in Vorleistung treten, gewähren wir ihnen einen Vertrauensvorschuss und stehen unsererseits gegenüber unseren Produktpartnern in der Haftung. Es ist somit unternehmerisch nachvollziehbar, dass wir als Beratungsgesellschaft unser Haftungsrisiko bei voraussichtlich ausscheidenden Vermögensberatern möglichst reduzieren."

Rechtsanwalt: Klauseln erinnern an frühere Leibeigenschaft

Reinhardts Rechtsanwalt Kai Behrens: "Wer kann schon über so einen langen Zeitraum ohne Einnahmen überleben? Das sind Klauseln, die erinnern mich an frühere Leibeigenschaft. Die Berater kommen nicht aus ihren Verträgen heraus. Das ist brutal und sittenwidrig."

Neben den wirtschaftlichen und rechtlichen Schwierigkeiten gibt es noch eine 2. Problemschiene für die Berater. Behrens: "Im privaten Umfeld bricht beim Vermögensberater alles zusammen. Man ist familiär völlig in der Struktur aufgenommen, und plötzlich steht man völlig isoliert da. Es wird verboten, dass man Büroräumlichkeiten aufsucht, teilweise werden Vermögensberater unter Druck gesetzt. Sie werden zuhause aufgesucht. Ihnen wird Gewalt angedroht, teilweise sind mir auch schon Gewalttätigkeiten mitgeteilt worden. Die Vermögensberater werden durch diese Dinge in erhebliche Krisen geworfen."

Der weiteren Rekrutierung neuer Vermögensberater tut das keinen Abbruch. Mit Großveranstaltungen wie dem 1. Erfolgskongress im letzten Jahr feiert der Vertrieb sich selbst. AWD-Chef Carsten Maschmeyer hat gerufen, und Zehntausend sind gekommen. Alle wollen Geld verdienen. Ein AWD-Mann aus der Führungsebene, der inzwischen zur Konkurrenz gewechselt ist, verrät: "Nur drei bis vier Prozent geht es finanziell sehr gut. Zehn bis fünfzehn Prozent können davon leben. 75 bis 80 Prozent haben das Niveau eines Hartz-IV-Empfängers." Auf der anderen Seite wird einem suggeriert, fahre gefälligst das oder das Auto, wie sieht das sonst aus? Weiter geht es über Bürokostenbeteiligungen, die enorm hoch sind. Viele übernehmen sich damit. Aber der Zulauf ist ungebrochen.

Christian Harms: "Die Auswahlverfahren, die ich erlebt habe, filtern nicht heraus, wer ist geeignet für die Branche, sondern filtern nur die heraus, die man definitiv nicht zum Kunden schicken kann. Der Rest wird genommen.

Bernd Reinhardt: "Die ersten Schritte zum eigenen Unternehmen sind immer die besten Freunde und Verwandten. Man trägt in ein Heft alle Namen und Adressen ein. Dann wird sondiert, wer könnte eine Lebensversicherung gebrauchen. Als Vermittler VM kriegen sie zwei Euro für eine Einheit. Ich kriege als Geschäftsstelle 13 Euro. Gebe ich von den 13 Euro zwei ab, habe ich 11 Euro verdient, ohne dass ich Arbeit hatte. Wenn die VM nach einer Woche aufhören, behalte ich das Heft ein und habe gute Adressen."

Aber warum sollte einer für zwei Euro pro Einheit arbeiten wollen?

Reinhardt: "Weil Sie als Schuster 1.000 Euro verdienen, und hier können Sie 30.000 Euro verdienen. Wenn Sie geschickt genug sind."

Reinhardt selbst kam im Jahre 2007 im Schnitt auf 1.565 Euro im Monat. Nach Abzug aller Betriebsausgaben blieb ihm ein Monatsverdienst von 544,70 Euro. An seine gute Zeit bei der DVAG erinnert noch Reinhardts Auszeichnung von der DVAG, ein Adler, der jetzt als Staubfänger in seiner Schrankwand steht. Reinhardt träumte einmal davon, Direktionsleiter zu werden. Dann würde er weitere Direktionsleiter aus seiner 40-Mann-Struktur hervorbringen. Er würde von seinen Direktionsleitern 60 Cent pro Einheit abbekommen. Ein Direktionsleiter hat einen Monatsumsatz von mehr als 100.000 Euro. Das wären dann für Reinhardt mehr als 50.000 Euro jeden Monat extra. Manche Direktionsleiter haben sogar acht weitere Direktionsleiter gefördert. Reinhardt: "Diese Förder-Direktionsleiter haben so jeden Monat zwischen 500.000 bis 1 Million Euro auf dem Konto als Provision, ohne noch einen Finger zu rühren."

Das sind die großen Vorbilder für die einfachen Vermögensberater. Aber nur wenige schaffen es.

Professor Dr. Reinfried Pohl, Gründer und Vorstandsvorsitzender der DVAG, stellte bereits 1995 auf einer DVAG-Veranstaltung klar: "Ein Vermögensberater in unseren Reihen kennt kein garantiertes Einkommen. Er kommt auch gar nicht auf die Idee, ständig Arbeitszeitverkürzung zu fordern oder gar eine 35-Stunden-Woche. Er kennt keine Einkommensangleichungen durch Tarifverträge und damit verbundene Streikandrohungen. Die Sicherheit eines Vermögensberaters in unserer Berufsgemeinschaft heißt Bereitschaft zur Selbstverantwortung."

Jeden Tag treibe Pohl laut Manager-Magazin seine Truppen zu neuen Verkaufsrekorden. Das brachte Pohl viel Anerkennung ein. 1993 wurde ihm von Helmut Kohl das Bundesverdienstkreuz I. Klasse verliehen. Und am 21. Oktober 1998 folgte das große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Nach seiner Kanzlerschaft stieß Helmut Kohl als Vorsitzender des Beirates zur DVAG und viele andere Parteifreunde auch. Wie Friedrich Bohl, ehemaliger Kanzleramtsminister und heute Mitglied des DVAG-Vorstandes. Udo Korz, ehemaliger Minister für Wissenschaft und Kunst in Hessen, ebenfalls Mitglied des Vorstandes. Dr. Theodor Weigel, Bundesminister a.D. ist Mitglied des Aufsichtsrates.

Professor Dr. hc. Horst Teltschik, Ministerialdirektor a. D., gehört dem Beirat an. Wie auch Professor Dr. Bernhard Vogel, Ministerpräsident a.D., und der ehemalige hessische Ministerpräsident Dr. Walter Wallmann. Neu hinzugestoßen: Guido Westerwelle von der F.D.P. Gute Verbindungen können nicht schaden.

DVAG-Vorstandsmitglied Friedrich Bohl schreibt anlässlich der neuen Vermittlerrichtlinie (erleichtertes Zulassungs- und Registrierungsverfahren für Strukturvertriebe): "Wir haben die gesetzgeberische Richtlinie in Brüssel und später in Berlin immer konstruktiv begleitet und die Interessen des von Herrn Dr. Reinfried Pohl geschaffenen Vermögensberater-Berufes stets effektiv wahren können. Denn in der Praxis bedeutet das Gesetz für Sie als Vermögensberater, dass Sie sich als so genannter gebundener Versicherungsvermittler in einer ganz bevorzugten Situation befinden. Viele Mitbewerber beneiden Sie hierfür."

Gerhard Schröder kam zur Ehrendoktorverleihung an Maschmeyer - zum Dank für die Millionen im Wahlkampf

Zur Verleihung der Ehrendoktorwürde der Stiftung Universität Hildesheim an Carsten Maschmeyer kamen sogar Schauspielerin Vernonica Ferres und Scorpions-Sänger Klaus Meine. Maschmeyer hat mit 50 Jahren erreicht, wovon viele nur träumen. Eingeladen zur Zeremonie waren nur gute Freunde wie Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder, der von dem Multimillionär einst im Wahlkampf massiv unterstützt wurde.

Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff hielt die Laudatio. Wulff: "Carsten Maschmeyer ist jemand, der sich für andere Menschen interessiert und zwar ganz unterschiedlich aus Musik, Kultur, Sport, Politik. Und er wollte Mediziner werden, um Menschen zu helfen. Er hat das dann abgebrochen und hat Menschen in Finanzen beraten, in Sachen Altersvorsorge und damit die Finanzbranche revolutioniert."

Seit letztem Jahr ist Carsten Maschmeyer nicht mehr beim AWD. Er hat seinen Posten geräumt und ist nun Verwaltungsrat und Großaktionär bei Swiss Life, bei dem Versicherungskonzern, der den AWD übernommen hat. Der neue Chefökonom des AWD ist seit kurzem Ex-Regierungsberater Professor Bert Rürup. Er sagt: "Maschmeyer hat die Gabe, Märkte zu erriechen. Und der schnelle Erfolg bestätigt das."

Allerdings verlassen fast zwei Drittel aller Vermögensberater den AWD innerhalb der ersten fünf Jahre wieder.

Und zum Branchen-Primus DVAG meint Ex-Berater Reinhardt: "Die DVAG bescherte mir einen Albtraum. Darin sah ich mich schon erhängt auf dem Marktplatz in Chemnitz mit einem Schild um den Hals: Ich bin ein Opfer der DVAG." 

Quelle: GoMoPa (Siegfried Siewert)

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