Direkt zum Inhalt Direkt zur Navigation
Sie sind hier: Startseite Berichte Weltgeschehen Ex-Verteidungsminister Rühe: Längerer Afghanistan-Einsatz zerstört Seele der Bundeswehr

Ex-Verteidungsminister Rühe: Längerer Afghanistan-Einsatz zerstört Seele der Bundeswehr

Archivmeldung vom 04.09.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.09.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Auf Patrouille Bild: Bundeswehr/René Marco Frank
Auf Patrouille Bild: Bundeswehr/René Marco Frank

Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe zeigt sich von den militärischen Entwicklungen in Afghanistan erschüttert: "Das ist eine furchtbare Tragödie, die zeigt, dass der Krieg mit all seinen schrecklichen Gesichtern spätestens jetzt im Norden Afghanistans bei den deutschen Soldaten voll angekommen ist", sagte er gegenüber der in Bielefeld erscheinenden Neuen Westfälischen.

"Die Vorstellung eines  eigenen deutschen Weges in Afghanistan, nämlich bewaffnete Entwicklungshilfe über bis zu zehn Jahre zu leisten, ist endgültig als Illiusion zerplatzt." Weiter sagte Rühe: "In den nächsten 18 bis 24 Monaten  entscheidet sich die Zukunft des Nato-Einsatzes in Afghanistan. Deutschland sollte in voller Bündnissolidarität an einer Exit-Strategie mitwirken. Zehn weitere Jahre in Afghanistan, wie von manchen befürwortet, würden nicht nur das Bündnis, sondern auch Gesicht und Seele der Bundeswehr zerstören. Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) hatte jüngst einen Einsatzzeitraum bis 2019 erwogen.

Deutschland wird auch in Zukunft alles tun, um zivile Opfer zu vermeiden

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat sich besorgt über den jüngsten Vorfall in Afghanistan geäußert. Der SPD-Politiker sagte der "Ostsee-Zeitung", dieser Fall zeige, "wie schwierig und gefährlich die Lage dort ist. Die Taliban schrecken offensichtlich vor nichts zurück, um die Sicherheit zu destabilisieren und Wiederaufbau unmöglich zu machen. Derzeit wird untersucht, wie viele Opfer es gegeben hat und ob unschuldige Zivilisten darunter waren. Das müssen wir abwarten. Gerade Deutschland hat innerhalb der internationalen Truppen immer wieder gedrängt, alles zu tun, um zivile Opfer zu vermeiden. Das werden wir auch in Zukunft tun."

FDP hält Regierung im Afghanistan-Konflikt "Wegducken" vor

Angesichts der jüngsten Konfliktlage in Nordafghanistan unter Einbeziehung der Bundeswehr hat die FDP den führenden Vertretern der Bundesregierung "ein Wegducken" angesichts der gefährlichen Lage verbunden mit zahlreichen Opfern vorgeworfen. Die Verteidigungsexpertin der Liberalen im Bundestag, Birgit Homburger, attackierte gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" zugleich die erneute Forderung von Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine nach sofortigem Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan: "Lafontaine ist jeder Vorgang recht um seine alten Forderungen wieder auf den Tisch zu bringen. Er schreckt dabei auch vor keiner Vorverurteilung der Bundeswehr zurück." Die FDP-Politikern betonte mit Blick auf den von der Bundswehr angeforderten Luftangriff im Raum Kundus auf zwei Tanklastwagen, bei dem es Dutzende von toten gegeben hat: Ich habe volles Vertrauen in die verantwortungsbewusste Arbeit unserer Soldaten vor Ort". Wie die Politiker seien sich auch die deutschen Soldaten "völlig bewusst, dass alles getan werden muss, um zivile Opfer zu vermeiden". Frau Homburger warnte vor Spekulationen angesichts einer noch immer völlig unklaren Lage. Allerdings sei die Spitze der Bundesregierung gefordert, bei den Bürgern endlich für Klarheit zu sorgen. "Ich erwarte eine klare Erklärung des Verteidigungsministers, der sich nicht länger hinter Vokabeln wie ,robuster Stabilisierungseinsatz' verbergen darf. Der Bundesaußenminister versteckt sich in der Sache sowieso schon viel zu lange. Und die Bundeskanzlerin muss der Bevölkerung klar machen, dass es sich beim Afghanistan-Einsatz um gefährlichste Kampfhandlungen und nicht um eine besondere Art der Entwicklungshilfe handelt", sagte Frau Homburger.

Grünen-Experte kritisiert mangelnde Information über Kundus-Zwischenfall

Der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei hat der Bundesregierung völlig unzureichende Information des Parlaments über den Zwischenfall in Kundus vorgeworfen. Die Obleute der Fraktionen im Verteidigungsausschuss hätten 15 Stunden nach dem Nato-Luftangriff auf zwei von Taliban gekaperten Tanklastern in Nordafghanistan gerade mal eine "magere 16-Zeilen-Mitteilung" aus dem Ministerium bekommen. "So etwas ist einfach hanebüchen", sagte Nachtwei dem Berliner Tagesspiegel. Angesichts der widersprüchlichen Berichte über zahlreiche zivile Tote schulde das Ministerium dem Parlament und der Öffentlichkeit "schnellste, glaubwürdige, rückhaltlose Information". Dies gelte um so mehr, als die Bundeswehr vor Ort in allen bisherigen Fällen sehr darauf geachtet habe, dass bei ihren Aktionen keine Zivilisten zu Schaden kamen. Im Zweifel sei auf den Einsatz verzichtet worden.

Nachtwei wies zugleich darauf hin, dass Tanklaster offenbar inzwischen zu den bevorzugten Zielen von Taliban-Attacken gehören. So hätten Aufständische vor kurzem 20 Kilometer südlich von Kundus auf der neu eingerichteten Hauptversorgungsroute der Isaf-Truppen einen Tanklaster in Brand geschossen. Ende August hatten Taliban in Kandahar in Südafghanistan einen Tanklaster entführt und als rollende Bombe in das Stadtzentrum gesteuert. Mehr als 45 Menschen starben bei der Detonation.

Bundeswehrverbandschef Kirsch: Isaf sollte zivile Opfer vermeiden

Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, hat mit Blick auf den Luftangriff der NATO auf zwei von den Taliban entführte Tanklastzüge betont, dass es Ziel der internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf sei, zivile Opfer zu vermeiden. "Tod und Verwundung sind Teil der Einsätze geworden - aber eben auch das selber Töten müssen", sagte er der in Halle erscheinenden"Mitteldeutschen Zeitung" zu dem Vorfall nahe Kundus. "Das ist eine andere Qualität des Einsatzes, als wir sie in der Vergangenheit hatten, insbesondere weil der Gegner taktisch geordnet und in der Kampfweise klug vorgeht." Kirsch erklärte weiter, er könne die Ereignisse aus der Ferne schwer beurteilen, fügte aber hinzu: "Sollte es so sein, dass die Kampfflugzeuge die Tanklaster angegriffen haben, dann wäre das sicherlich nicht im Sinne des Isaf-Kommandeurs. Denn genau der hat sich zum Ziel gesetzt, Opfer in der Zivilbevölkerung zu vermeiden." Der Vorfall müsse deshalb "definitiv" untersucht werden.

Oskar Lafontaine: Afghanistan - Sofortiger Abzug ohne Alternative

"Jedes zivile Opfer der Kriegsführung der NATO und der Bundeswehr  in Afghanistan führt zu einem weiteren Erstarken der Taliban und holt den Terror ins eigene Land", erklärt der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Oskar Lafontaine, zu Berichten über den Tod von Zivilisten bei einem NATO-Luftangriff auf zwei von den Taliban entführte Tankwagen. "Die Lage in Afghanistan wird immer desolater und kritischer. Es gibt mehr Opfer in der Zivilbevölkerung als je zuvor." Lafontaine weiter:

"Die Inkaufnahme ziviler Opfer bei dem von der Bundeswehr in der vergangenen Nacht angeforderten NATO-Luftschlag hat noch einmal vor Augen geführt, dass der Kriegseinsatz der Bundeswehr und der NATO völkerrechtswidrig ist. In diesem Jahr sind schon über 800 Zivilisten durch die NATO umgebracht worden.

Frieden und demokratische Entwicklung kann man nicht herbeibomben. Nur Gewaltverzicht, Entwicklungszusammenarbeit und Diplomatie eröffnen einen Ausweg aus der afghanischen Sackgasse. Der Abzug der Bundeswehr ist ohne Alternative. Kanada und Dänemark haben bereits das Datum des Abzugs ihrer Truppen festgelegt. Die Bundesregierung könnte sich daran ein Beispiel nehmen

SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier ist unglaubwürdig, wenn er jetzt Verhandlungen mit der neuen afghanischen Regierung über einen Abzugs-Fahrplan verspricht. Die SPD hat den Kriegseinsatz der Bundeswehr und seine Ausweitung seit acht Jahren zu verantworten. Die SPD-Führung hat sich mit ihrem sturen Festhalten am Afghanistankrieg von der Politik Willy Brandts weit entfernt. "

Quelle: Neue Westfälische / Ostsee-Zeitung / Leipziger Volkszeitung / Der Tagesspiegel / Mitteldeutsche Zeitung / Die Linke

 

Videos
Daniel Mantey Bild: Hertwelle432
"MANTEY halb 8" deckt auf - Wer steuert den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
Mantey halb 8 - Logo des Sendeformates
"MANTEY halb 8": Enthüllungen zu Medienverantwortung und Turcks Überraschungen bei und Energiewende-Renditen!
Termine
Newsletter
Wollen Sie unsere Nachrichten täglich kompakt und kostenlos per Mail? Dann tragen Sie sich hier ein:
Schreiben Sie bitte hals in folgendes Feld um den Spam-Filter zu umgehen

Anzeige