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Finanzexperten halten Politik der Euro-Rettungsschirme für gescheitert

Archivmeldung vom 15.06.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.06.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de

Politiker aus Koalition und Opposition haben davor gewarnt, Spanien mit seinen Banken unter den Euro-Rettungsschirm ESM gehen zu lassen. "Durch die zögerliche Politik droht der ESM, der ein Rettungsschirm für Staaten sein soll, nun ein Rettungsschirm für die Banken zu werden. Diese erneute Belastung der Steuerzahler für die Spekulationen der Finanzmarktakteure muss verhindert oder zumindest begrenzt werden", sagte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, "Handelsblatt-Online". "Deshalb ist es nun höchste Zeit, dass die Verursacher dieser Krise an den Kosten beteiligt werden."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse deshalb jetzt in Europa die Finanzmarkttransaktionssteuer durchsetzen, und zwar mit dem gleichen Gewicht, mit dem sie den Fiskalvertrag verhandelt habe.

Der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler machte deutlich, dass Spanien keine Gelder des ESM bekommen könne, da die Grundvoraussetzung des Euro-Clubs nicht erfüllt sei. Spanien habe weder den ESM noch den Fiskalpakt ratifiziert, sagte Schäffler "Handelsblatt-Online". "Wenn der Euro-Club die letzte Spur an Glaubwürdigkeit erhalten will, darf er Spanien gar nicht unter den Schuldenschirm nehmen. Ansonsten sind auch diese Regeln nicht das Papier wert, auf dem sie stehen."

Schäffler warnte zugleich vor den Folgen, sollte Spanien dennoch Geld aus dem ESM erhalten. "Dann werden die Refinanzierungskosten Spaniens explodieren, da die Vorrangigkeit des ESM-Gläubigerstatus die Refinanzierung Spaniens dauerhaft unmöglich machen wird", sagte das FDP-Bundesvorstandsmitglied. Spanien werde dadurch dauerhaft am Tropf hängen. Ein bevorrechtigter Gläubigerstatus für den ESM bedeutet, dass im Falle einer Zahlungsunfähigkeit des spanischen Staates zuerst der ESM-Rettungsfonds sein Geld zurückbekäme, und die privaten Kreditgeber hintanstehen müssten. Diese Perspektive führt in der Folge dazu, dass Investoren kaum noch spanische Staatsanleihen erwerben dürften.

Der SPD-Haushälter Schneider gab überdies zu bedenken, dass für den Fall, dass neben Spanien auch Italien Hilfe der EU-Partner beantragen sollte, keine Vorsorge getroffen sei. "Die bestehende Kreditvergabemöglichkeit der Rettungsschirme reicht nicht aus, um einzelne große oder mehrere mittelgroße Länder für ihre Refinanzierung vollständig vom Markt zu nehmen", sagte er. Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wüssten, dass der ESM in seiner jetzigen Struktur keine dauerhaft überzeugende Lösung biete. "Sie haben es deshalb zu verantworten, dass die EZB in die Rolle des Kreditgebers der letzten Instanz für Staaten gebracht wurde, die sich nicht mehr zu tragfähigen Konditionen am Kapitalmarkt finanzieren können." Weil die Regierungschefs in der Lösung der Finanzkrise bisher keine überzeugende Antwort gegeben hätten, müsse die EZB den "Ausputzer" spielen. "Damit haben sie der Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank schweren Schaden zugefügt."

Top-Ökonomen: Mit Griechenland-Wahl steht bisherige Krisenpolitik auf dem Spiel

Nach Einschätzung führender Ökonomen in Deutschland entscheidet der Ausgang der Griechenland-Wahl am Sonntag auch über den Fortbestand der bisherigen Krisenpolitik der Euro-Retter. "Die erneute Wahl in Griechenland entscheidet darüber, ob der Grundsatz der bisherigen Krisenpolitik in der Eurozone - Geld gegen Auflagen - weiter trägt", sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, "Handelsblatt-Online". Man könne immer über Umsetzungsfragen reden, vor allem dann, wenn die wirtschaftliche Entwicklung noch deutlich schlechter sein sollte als in den Anpassungsprogrammen unterstellt. "Doch der Grundsatz der Krisenpolitik darf nicht in Zweifel gezogen werden, wenn man nicht die Euro-Zone zur Haftungsunion ohne angemessene Kontrolle machen will."

Auch für den Chefvolkswirt der Dekabank, Ulrich Kater, ist die Wahl von "hoher Bedeutung" für die Euro-Zone. "Es geht schlicht darum, ob die Währungsunion wenigstens mit einem Mindestmaß an Regeln weiterarbeiten kann", sagte Kater "Handelsblatt-Online". Wenn diejenigen Kräfte in Griechenland an die Macht kämen, die das ähnlich sehen - Reformen für Wettbewerbsfähigkeit im Austausch gegen weitere Kreditprogramme -, dann könne der Weg weiter gemeinsam beschritten werden. "Umgekehrt muss sich bei einer Aufkündigung der Vereinbarungen durch eine neue griechische Regierung aber auch zeigen, dass die Regeln nicht vollkommen beliebig gebogen werden können." Dann müsse das Kreditprogramm eingestellt oder zumindest reduziert werden. Dann würden auch keine neuen Defizite des griechischen Staates mit Geldern der EU-Partner mehr finanziert. "Einen Austritt Griechenlands würde dies noch nicht automatisch bedeuten, aber zumindest einen Schritt in diese Richtung", sagte Kater.

Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, sieht dagegen keine Chance für einen Verbleib Griechenlands im Euro, sollten die Linksradikalen die neue Regierung bilden. Würden dann die Verträge mit der Staatengemeinschaft aufgekündigt und zudem wichtige Reformen rückgängig gemacht, "dann hätten EU und IWF keine andere Wahl, als Griechenland den Geldhahn zuzudrehen", sagte Krämer "Handelsblatt-Online". "Das Land wäre dann innerhalb weniger Wochen zahlungsunfähig, die Zahlungsmoral bräche auch in der Privatwirtschaft zusammen und die griechische Wirtschaft würde ins Chaos stürzen." In dieser Situation könne das Land durch die Einführung einer weichen Drachme seine Waren und Touristikdienstleistungen aus Sicht der Ausländer verbilligen und sich sie aus der Krise herausarbeiten. Nach Krämers Einschätzung würde ein wirtschaftliches Chaos in Griechenland und ein Austritt des Landes aus der Währungsunion die Anleger "vorübergehend sicher beunruhigen". Aber nach einer kurzen Phase turbulenter Märkte, griffe sicher die Einsicht um sich, dass der dringend notwendige Neuanfang der Währungsunion mit Griechenland nicht möglich sei. "Die Währungsunion würde einen Austritt Griechenlands wohl verkraften", sagte der Ökonom. Zumal die anderen Peripherieländer nicht so ausgeprägte Probleme wie Griechenland hätten und der von der Staatengemeinschaft und Griechenland aufgespannte Rettungsschirm mittlerweile recht groß sei.

IW-Chef Hüther erwartet, dass die Regierungsbildung in Griechenland zunächst undurchsichtig bleiben werde. "Das bedeutet: die Unsicherheit bleibt groß, wird eher noch steigen. Das alles lähmt die Investitionstätigkeit und dämpft den Welthandel", ist sich der Ökonom sicher. Es gebe womöglich mehrere Wochen keine verlässliche Orientierung. "Da kann dann ein Austritt Griechenlands - entsprechende politische Mehrheiten vorausgesetzt - als Befreiungsschlag wirken", so Hüther. Notwendig wäre daher, "dass die Euro-Zone eine Abschirmung der systemrelevanten Banken in den Programmländern vorbereitet".

Britischer Finanzminister Osborne will Bankenunion

Der britische Finanzminister George Osborne hat sich für die Einführung einer Bankenunion und die weitere politische Integration der Euroländer ausgesprochen. In einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Samstagausgabe) schreibt Osborne, die Eurozone solle der "unerbittlichen Logik der Währungsunion folgen und die fiskalische Integration vorantreiben". Eine Bankenunion bedeute die "natürliche Erweiterung einer gemeinsamen Währung". Für den Binnenmarkt sei sie jedoch nicht notwendig. Osborne schreibt, Großbritannien wolle den Binnenmarkt vertiefen und ausbauen; die Regeln hierfür sollten von allen EU-Mitgliedstaaten beschlossen werden, nicht nur von den Mitgliedern der Währungsunion. Ein integrierter Markt auch für Finanzdienstleistungen "liegt absolut im nationalen Interesse Großbritanniens".

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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