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Militärbischof und Friedensbeauftragter: Zu viel Sicherheit, zu wenig Frieden

Archivmeldung vom 20.07.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.07.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Frieden
Frieden

Bild: Helene Souza / pixelio.de

"Zu viel Sicherheit, zu wenig Frieden", das ist die erste Einschätzung, die der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, und der Evangelische Militärbischof, Sigurd Rink, zum vergangene Woche erschienenen "Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr" abgegeben haben.

Das Weißbuch konzentriere sich beim Thema Sicherheit und Konfliktprävention ganz auf den Beitrag der Bundeswehr. So entstehe der Eindruck, dass die eigentlich vorrangigen nichtmilitärischen Instrumente nicht in gleicher Weise in den Blick genommen würden. "Auffällig ist, dass der Leitbegriff des Friedens im Weißbuch weitgehend fehlt", monieren Rink und Brahms in einer heute veröffentlichten gemeinsamen Reaktion. "Wir fragen, ob Sicherheitspolitik ohne die orientierende Kraft einer positiven Vision wie derjenigen des Gerechten Friedens überhaupt möglich ist." Als Zusammenhang von Frieden und Recht, Gerechtigkeit und Sicherheit sei dieser der entscheidende und orientierende Grundbegriff des sicherheitspolitischen Feldes.

Im Weißbuch fehle zudem die deutliche Aussage, dass die Androhung und Ausübung militärischer Gewalt immer nur "äußerste Möglichkeit" sein könne. "Der Einsatz militärischer Gewalt ist immer ein Zeichen des Versagens politischen Handelns", erinnern der Militärbischof und der Friedensbeauftragte. "Es fehlen klare und orientierungsfähige Kriterien, wann und in welchen Fällen die Androhung und Anwendung militärischer Gewalt als ultima ratio gerechtfertigt ist."

Dahingegen begrüßten beide Kirchenvertreter "die Breite der Analyse und die Weite des Horizonts" des Weißbuch-Prozesses. Als Ergebnis eines breit angelegten Beteiligungsprozesses biete das Weißbuch eine Zusammenfassung vielfältiger Perspektiven. Das Ziel, einen Impuls für die sicherheitspolitische Debatte in Deutschland zu setzen, werde durch den Veröffentlichungstermin in der parlamentarischen Sommerpause allerdings konterkariert. Rink und Brahms kündigten an, die evangelische Kirche werde sich mit kritischen und solidarischen Fragen an der weiteren Debatte beteiligen. Mit einer ausführlichen Stellungnahme der EKD zum Weißbuch ist im Frühherbst zu rechnen.

Die gemeinsame Reaktion des Militärbischofs und des Friedensbeauftragten steht als Download zur Verfügung unter www.ekd.de/EKD-Texte/weitere_texte.html


Am 13. Juli wurde das neue "Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr" vorgestellt. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Grundlagendokumentes der Bundesregierung ist ebenso passend wie herausfordernd. Konflikte und Kriege prägen die direkte Nachbarschaft Europas und drohen auf Europa selbst auszugreifen. Die Bedrohung für den Frieden wächst. Ziele und Mittel, Möglichkeiten und Grenzen des außen- und sicherheitspolitischen Handelns bedürfen einer Neuausrichtung. Eine verantwortungsbewusste und nachhaltig an Frieden und Gerechtigkeit, menschlicher Sicherheit und Entwicklung ausgerichtete Politik bedarf fortgesetzt der ethischen Orientierung. Die folgenden Punkte sind eine erste Reaktion des Friedensbeauftragten der EKD und des Bischofs für die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr.

1. Das Weißbuch ist in einem breit angelegten Diskussionsprozess entstanden. Es bietet nun als Ergebnis des Beteiligungsprozesses eine Zusammenfassung vielfältiger Perspektiven. Auch Grundeinsichten evangelischer Ethik sind mit gehört worden, etwa in der Orientierung an der internationalen Rechtsordnung und der Ausrichtung auf nachhaltige Entwicklung. Die Breite der Analyse und die Weite des Horizonts sind beeindruckend und zukunftsweisend.

2. Das Weißbuch nennt menschliche Sicherheit und Entwicklung als prioritäre Ziele des politischen Handelns. Krisenfrüherkennung, Konfliktprävention und zivile Konflikttransformation sind vorrangige Instrumente dieser Politik. Seinem eigenen Orientierungsrahmen zuwider konzentriert sich das Weißbuch dann allerdings ganz auf den Beitrag der Bundeswehr. So entsteht der Eindruck, dass im Zweifelsfall die Bundeswehr das vorrangige Instrument deutscher Sicherheitspolitik sei, ohne dass zumindest symmetrisch die anderen, dem eigenen Anspruch nach ja eigentlich vorrangigen nichtmilitärischen Instrumente in gleicher Weise in den Blick genommen werden.

3. Nach den Prinzipien evangelischer Friedensethik ist der "Gerechte Friede" als Zusammenhang von Frieden und Recht, Gerechtigkeit und Sicherheit der entscheidende und orientierende Grundbegriff des sicherheitspolitischen Feldes. Auffällig ist, dass der Leitbegriff des Friedens im Weißbuch weitgehend fehlt. Stattdessen dominieren die Begriffe von "Bedrohung", "Sicherheit" und "Resilienz". Wir fragen, ob Sicherheitspolitik ohne die orientierende Kraft einer positiven Vision wie derjenigen des Gerechten Friedens überhaupt möglich ist. Frieden und Sicherheit müssen gesellschaftlich verankert sein, in Deutschland, in Europa und weltweit. Dazu bedarf es des Vertrauensaufbaus, des gewaltfreien Interessenausgleichs und einer Vision des Gerechten Friedens.

4. Wenn die Bundeswehr in erster Linie als "Instrument deutscher Sicherheitspolitik" gesehen wird, geraten über diesem instrumentellen Verständnis allzu schnell die Perspektiven der Menschen aus dem Blick, die unter Gewalt leiden und unter Gewaltverhältnissen leben und handeln müssen. Der Einsatz militärischer Gewalt ist immer ein Zeichen des Versagens politischen Handelns. Im Weißbuch fehlt aber die deutliche Aussage, dass die Androhung und Ausübung militärischer Gewalt immer nur äußerste Möglichkeit sein kann. Es fehlen klare und orientierungsfähige Kriterien, wann und in welchen Fällen die Androhung und Anwendung militärischer Gewalt als ultima ratio gerechtfertigt ist.

5. Das Weißbuch soll einen Impuls für die sicherheitspolitische Debatte in Deutschland setzen. Die Veröffentlichung in der parlamentarischen Sommerpause schadet diesem Anliegen einer Aufnahme und Diskussion in Parlament und Gesellschaft. Es kommt nun entscheidend darauf an, dass diese Diskussion kundig, intensiv und engagiert weiter geführt wird. Wir brauchen in Deutschland eine breite, über die sicherheitspolitischen Eliten hinausreichende Debatte über zukunftsweisende politische Antworten auf die Fragen von Frieden und Sicherheit. Als Evangelische Kirche werden wir uns an diesem Prozess mit kritischen und solidarischen Fragen beteiligen.

Dr. Sigurd Rink, Bischof für die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr, Pastor Renke Brahms, Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche und Friedensbeauftragter des Rates der EKD

Quelle: EKD Evangelische Kirche in Deutschland (ots)

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