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Deutsche Umwelthilfe wirft Bundesverkehrsminister Dobrindt Rechtsbeugung im Diesel-Abgasskandal vor

Archivmeldung vom 28.04.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.04.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Abgas: Luftverschmutzung macht krank. Bild: pixelio.de, Gabi Eder
Abgas: Luftverschmutzung macht krank. Bild: pixelio.de, Gabi Eder

Am 22. April 2016 hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt den Bericht der "Untersuchungskommission Volkswagen" vorgelegt, welche den Abgasskandal aufarbeiten und anhand von Messungen durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bewerten soll. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat den Bericht analysiert und eine Vielzahl an Fehlern sowie Hinweise auf dem Ministerium vorliegende, aber auf Druck der Automobilindustrie unveröffentlichte, weitere Fakten gefunden. Die DUH stellt daher heute (28.4.2016) einen formellen Antrag auf Übermittlung der Originalprüfprotokolle.

Nach eingehender Analyse kommt die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation zu dem Ergebnis, dass Bundesverkehrsminister Dobrindt alle eigenen und auch sonstigen Erkenntnisse zu illegalen Abschalteinrichtungen systematisch ignoriert, weitere Testergebnisse unter Verschluss hält und die für die Bewertung unverzichtbaren CO2-Werte nicht veröffentlicht. Mit Ausnahme der von den US-Umweltbehörden enttarnten betrügerischen VW-Diesel sowie eines Fiat kommt Dobrindt zum Ergebnis, dass alle anderen untersuchten Fahrzeuge rechtlich nicht beanstandet werden können, obwohl er gleichzeitig festhält, dass alle diese Fahrzeuge über Abschalteinrichtungen verfügen. Allerdings akzeptiert er in allen Fällen die Argumentation der Autokonzerne, diese Abschaltung selbst bei Temperaturen unterhalb von +10 Grad (Mercedes) oder gar +17 Grad (Opel) seien legal.

Dobrindt hält in seinem Prüfbericht die von der Automobilindustrie vertretene Argumentation für plausibel, es seien nur die Prüfbedingungen der für die Typzulassung durchzuführenden Labormessungen (+20 bis +30 Grad Celsius) relevant und ignoriert dabei eine rechtlich bindende Vorschrift aus der EU Verordnung 692/2008, welche die Verordnung 715/2007 ergänzt bzw. ändert und die Betriebsbedingungen des Abgasnachbehandlungssystems eindeutig regelt. Dort heißt es:

"Der Hersteller muss gewährleisten, dass das Emissionsminderungssystem unter allen auf dem Gebiet der Europäischen Union regelmäßig anzutreffenden Umgebungsbedingungen und insbesondere bei niedrigen Umgebungstemperaturen seine Emissionsminderungsfunktion erfüllt." Für die Temperatur von -15 Grad Celsius schreibt die Verordnung sogar spezielle Tests vor und schließt, dass eben auch bei dieser niedrigen Temperatur "das Emissionsminderungssystem ordnungsgemäß arbeiten kann."

"Verkehrsminister Dobrindt beugt das Recht, wenn er Diesel-Pkw, die zu mehr als 80 Prozent der Jahresstunden ohne funktionierende Abgasreinigung unterwegs sind, als legal einstuft und damit Millionen betroffene Autohalter im Abgasdunst alleine lässt. In der EU wie in den USA besagen die Vorschriften, dass Bremsen oder Abgaskatalysatoren auch bei tiefen Minustemperaturen funktionieren müssen", sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Ohne Skrupel lässt sich der Verkehrsminister einmal mehr von den Autobossen die Hand führen, so dass derselbe Tatbestand in den USA zur Einleitung neuer Ermittlungen durch das Justizministerium gegen Daimler führt, in Deutschland die Vergiftung der Atemluft hingegen für legal erklärt wird."

Resch erklärt, die DUH werde ihre Untersuchungen auf die von Herrn Dobrindt unterlassene Untersuchung über die genaue Funktionsweise der temperaturgesteuerten aber auch auf die, die Prüfsituation erkennenden Abschalteinrichtungen ausdehnen - trotz fortgesetzter massiver Bedrohungen und juristischer Schritte der Autobauer.

Die DUH und der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages haben kürzlich Rechtsgutachten zu Abschalteinrichtungen vorgelegt. Rechtsanwalt Remo Klinger, der das Gutachten im Auftrag der DUH erstellt hat, kritisiert:

"Die rechtliche Bewertung des Ministeriums will uns für dumm verkaufen. Begründungslos wird behauptet, dass es dem Ausnahmetatbestand des Motorschutzes an "rechtsstaatlicher Bestimmtheit mangelt" (S. 122). Man bemüht sich noch nicht einmal, dafür eine tragfähige Begründung zu finden. Selbst wenn dies richtig wäre, hätte es zur Konsequenz, dass der Ausnahmetatbestand nicht angewendet werden könnte: Eine rechtsstaatswidrig unbestimmte Norm kann keine Geltung beanspruchen. Im Ergebnis könnten sich die Autohersteller gerade nicht auf die Ausnahme berufen."

Klinger weiter: "Ebenso begründungslos wird behauptet, dass eine Berufung auf den Motorschutz schon gerechtfertigt ist, wenn dies von Seiten eines Fahrzeugherstellers "nachvollziehbar dargestellt wird" (S. 123). Eine Überprüfung der Argumente durch die Behörde habe dann zu unterbleiben. Dies ist absurd. Auch in Verfahren mit der Automobilindustrie gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Er verpflichtet die Behörden, eigene Untersuchungen anzustellen oder zu beauftragen. Würde dieser Maßstab zukünftig auch im Steuerrecht gelten, müsste ich einen Steuerbetrug nur noch "nachvollziehbar darstellen", um jegliche weitere Untersuchungen der Steuerbehörden zu unterbinden. Die rechtliche Bewertung bewegt sich auf dem Niveau einer durchgefallenen Studentenarbeit. Simple rechtliche Denkansätze werden missachtet. Die vorliegenden Gutachten, u.a. des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, die zu ganz anderen rechtlichen Ergebnissen kommen, werden noch nicht einmal erwähnt. Einem Ministerium ist dies unwürdig."

Um die Folgen der Stickoxid-Überschreitungen für die Fahrzeuge Mercedes BlueTec und Opel Zafira verständlich zu machen, hat die DUH beispielhaft die Temperaturen in den Städten Stuttgart und Wiesbaden für das Jahr 2015 ausgewertet. Die Analyse macht deutlich: Opel Zafira Diesel verpesten zu 81 Prozent der Jahresstunden in Wiesbaden und Mercedes C-Klasse BlueTec zu 49 Prozent der Jahresstunden in Stuttgart die Luft wegen aktivierter Abschalteinrichtung.

Hintergrund:

Die DUH hat am 2.2.2016 in einer Pressemitteilung zum ersten Mal darauf hingewiesen, dass die Abgasreinigung bei einer Mercedes C-Klasse 220 CDi BlueTec bei niedrigeren Prüftemperaturen nicht funktioniert. Sie stützte sich dabei auf den Bericht des niederländischen Prüfinstituts TNO, das die hohen Überschreitungen der NOx-Emissionen bei diesem Fahrzeug gemessen hatte. Inzwischen haben Daimler und weitere Hersteller eingeräumt, Abschalteinrichtung zu verwenden, die bei teilweise nur wenigen Grad Celsius unter bzw. oberhalb der Prüfraumtemperatur die Abgasreinigung verringern.

Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V. (ots)

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