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Behandlungsfehler: Patientenschützer fordern Umkehrung der Beweislast und Härtefallfonds

Archivmeldung vom 23.03.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.03.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Martin Büdenbender / pixelio.de
Bild: Martin Büdenbender / pixelio.de

Eugen Brysch, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Stiftung Patientenschutz, fordert anlässlich der Bekanntgabe der aktuellen Behandlungsfehlerstatistik 2016 durch die Bundesärztekammer an diesem Donnerstag einen besseren gesetzlichen Schutz von Patienten. Er hält einen Härtefallfonds für überfällig. Brysch sagte der "Heilbronner Stimme" (Donnerstagausgabe): "Der Gesetzgeber ist dringend gefordert, die Patientenrechte bei Behandlungsfehlern zu stärken. Die Beweislast muss zugunsten der Opfer umgekehrt werden. Auch fehlt immer noch ein Härtefallfonds, der bei tragischen Behandlungsfehlern sofort greift."

Notwendig sei auch die Einführung eines Zentralregisters zur Erfassung von Behandlungsfehlern. Brysch: "Ärztekammern, Krankenkassen und Gerichte sammeln Behandlungsfehler weiter nebeneinander her. Noch immer lehnt die Bundesregierung die zentrale Erfassung aller Fälle ab. Doch ihre Argumente sind nicht überzeugend: Für den Patientenschutz ist der Aufwand für eine bundesweite Übersicht nicht zu hoch. Wir brauchen Klarheit. Denn aus Fehlern muss man lernen. Ein nationales Register für Behandlungsfehler zeigt rasch, wo es schief läuft und wo Maßnahmen wirken."

Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) forderte ebenfalls einen besseren Schutz von Patienten. Stefan Gronemeyer, stellvertretender MDS-Geschäftsführer, sagte der Zeitung: Eine gesetzliche Meldepflicht für Behandlungsfehler ist aus Sicht des MDS aus mehreren Gründen sinnvoll und notwendig. Fakt ist: Wir wissen in Deutschland nicht, wie stark Patientinnen und Patienten durch Behandlungsfehler gefährdet sind." Gronemeyer fügte hinzu: "Zwar berichten Ärztekammern und der MDK über ihre Begutachtungsfälle. Dies stellt jedoch nur einen vermutlich kleinen Ausschnitt dar und sagt nichts darüber aus, wie viele Behandlungsfehler in Deutschland insgesamt vorkommen. Ziel einer Meldepflicht muss sein, aus den gemeldeten Behandlungsfehlern konkrete Maßnahmen zur Fehlervermeidung abzuleiten."

Andere Länder, wie z. B. England, machten Deutschland vor, wie man bei festgestellten Schadenshäufungen sofort mit Sicherheitswarnungen an die Krankenhäuser reagieren könne. Gronemeyer: "Nur durch eine systematische Erfassung von Behandlungsfehlern kann festgestellt werden, ob die Maßnahmen zur Fehlervermeidung auch greifen. Daher sollte es auch in Deutschland, zumindest für besonders schwerwiegende Behandlungsfehler, eine gesetzliche Verpflichtung zur Meldung solcher Ereignisse geben." Dies wäre ein überfälliger Beitrag zu der oft beschworenen "neuen Sicherheitskultur" in der Medizin, erklärte er. In anderen Bereichen, z. B. bei der Verkehrsunfallstatistik oder der Arbeitsunfallstatistik, sei dies ja auch kein Problem.

Ärzte machen Fehler - und lernen aus ihnen

"Fehler passieren, auch in der Medizin. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten durch einen Behandlungsfehler zu Schaden kommen, ist extrem gering." Das sagte Dr. Andreas Crusius, Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer, bei der Vorstellung der Behandlungsfehlerstatistik für das Jahr 2016 in Berlin. "Wir wollen nichts bagatellisieren. Hinter jedem Fehler können schwere menschliche Schicksale stehen. Wir müssen die Risiken in der Medizin aber richtig einordnen, um Patienten nicht unnötig zu verunsichern. Für Panikmache und Pfuschvorwürfe gibt es überhaupt keinen Grund. Beides schadet der mittlerweile gut etablierten offenen Fehlerkultur in der Medizin", so Crusius. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Gesamtzahl der Behandlungsfälle in Klinik und Praxis. Demnach stiegen die ambulanten Behandlungsfälle zwischen den Jahren 2004 und 2015 um 160 Millionen auf mittlerweile 696 Millionen. Ähnlich sieht es in den Krankenhäusern aus. Dort erhöhte sich die Zahl der Behandlungsfälle im gleichen Zeitraum um mehr als 2,5 Millionen auf fast 19,8 Millionen Fälle. "Gemessen daran liegt die Zahl der festgestellten Fehler im Promillebereich", so Crusius. "Die Daten der Ärztekammern sind absolut valide, weil sie auf realen Fällen beruhen", betonte Kerstin Kols, Geschäftsführerin der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, bei der Präsentation der Behandlungsfehler-statistik. So haben die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen im Jahr 2016 bundesweit insgesamt 7.639 Entscheidungen zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern getroffen (Vorjahr 7.215). Es lag in 2.245 Fällen ein Behandlungsfehler vor (Vorjahr 2.132). Davon wurde in 1.845 Fällen ein Behandlungsfehler / Risikoaufklärungsmangel als Ursache für einen Gesundheitsschaden ermittelt, der einen Anspruch des Patienten auf Entschädigung begründete. Die häufigsten Diagnosen, die zu Behandlungsfehlervorwürfen führten, waren Knie- und Hüftgelenkarthrosen sowie Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen. In 400 Fällen lag ein Behandlungsfehler / Risikoaufklärungsmangel vor, der jedoch keinen kausalen Gesundheitsschaden zur Folge hatte. "Auch wenn diese Daten nicht das gesamte Behandlungsgeschehen abdecken, kann man mit ihnen arbeiten und wirksam Fehlerprävention betreiben", betonte Prof. Dr. Walter Schaffartzik, Ärztlicher Leiter des Unfallkrankenhauses Berlin und Ärztlicher Vorsitzender der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern. Schaffartzik erläuterte, wie das Thema Patientensicherheit und Qualitätssicherung im ärztlichen Alltag gelebt wird. "Die Medizin in Deutschland ist hochinnovativ. Das gilt nicht nur für Diagnostik und Therapie, sondern auch für den Bereich der Fehlerprävention und Qualitätssicherung. Checklisten, Qualitätszirkel, Peer-Reviews - aber auch Tumorkonferenzen oder Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen sind dafür nur einige Beispiele", so Schaffartzik. Wenn dennoch ein Fehler passiert, können sich Patientinnen und Patienten an die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern wenden. Dort sind hochqualifizierte Fachgutachter tätig, die gemeinsam mit Juristen prüfen, ob ein Behandlungsfehlervorwurf gerechtfertigt ist oder nicht. Es genügt ein formloser Antrag. Das Gutachten sowie die abschließende Bewertung sind für Patienten kostenfrei. Weitere Informationen zu den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern sowie zur Behandlungsfehlerstatistik können im Internet unter http://www.bundesaerztekammer.de/patienten/gutachterkommissionen-schlichtungsstellen/ abgerufen werden.

Quelle: Heilbronner Stimme - Bundesärztekammer (ots)

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